Es gibt Phasen, in denen ich mehr Zeit damit verbringe, nach dem perfekten Ort zum Schreiben zu suchen, als … tatsächlich zu schreiben. Es ist die perfekte Ablenkung vom Klimawandel, Breaking-News und Putin.

Meine Browserleiste quillt über vor Tabs, denn ich hoffe immer noch kommenden Frühling eine Unterkunft mit Meerblick und zwei Zimmern unter 1200 Euro pro Monat in Italien zu finden, in der ich mein zukünftiges Ich sitzen sehe, während es an den Romankorrekturen arbeitet. (Warum ich keine „normale“ Wohnung mieten konnte, darüber schreibe ich übrigens nochmal in einem Extra-Blogpost.) Die Suche nach den perfekten Airbnbs gibt mir ein Gefühl der Kontrolle in einer Welt zurück, die sich zunehmend völlig unkontrollierbar anfühlt.

Auf meiner Interior-No-Go-Liste befinden sich aktuell: Plastik-Sessel am Balkon, hässliche Tapeten, Fake-Marmor-Böden und grelles, direktes Licht; gedrungene Räume in zu dunklem Holz, überteuerte Einzimmerwohnungen im Erdgeschoß sowie Vermieter, die direkt über oder unter mir wohnen, selbst, wenn sie anbieten, mich am Wochenende großzügigerweise zu ihrem Supermarkteinkauf ins nächste Dorf mitzunehmen. Zumindest ein bisschen Autonomie muss schon sein, bei der selbstgebuchten Artist Residency. Für das Geld miete ich nicht deine Abstellkammer ok?!

Apropos Geld und No-Gos, da fällt mir direkt wieder diese eine Unterkunft in der Toskana ein, die zwar wunderschön renoviert und eingerichtet war, uns jedoch Extra-Kosten nach der Abreise in Rechnung stellte. Das Gas war nicht im Preis inbegriffen und belief sich für sechs Nächte auf 80 Euro. Seither habe ich nie wieder bei Leuten gebucht, die das nachträgliche Übersenden von Rechnungen für eine unumgängliche Reise-Erfahrung betrachteten.

Während ich also gefühlt den 18. Tag auf AirBnB nach der perfekten Bleibe suche, frage ich mich, warum ich überhaupt so obsessed mit schönen Räumen bin.

Schließlich werde ich nicht dorthin ziehen, oder?

Außerdem weiß ich doch aus Erfahrung, dass ich überall schreiben kann, ja, natürlich auch in hässlich möblierten Jugendherbergen, in lauten Cafés am Flughafen oder Zügen. Aber wenn ich es mir aussuchen kann, und damit meine ich, wenn ich die finanziellen Ressourcen habe, werde ich immer das schöne Artist Studio, die schöne Wohnung, das an meine Bedürfnisse angepasste Zimmer wählen. Und aktuell will ich eben ein bisschen Ästhetik zu meinem Aperol Spritz, sorry not sorry. Ich bin 33, for god’s sake.

Je länger ich suche, desto verzweifelter werde ich. Warum gibt es so unfassbar viele hässliche AirBnBs für 2000 Euro+ pro Monat, die die billigsten IKEA-Schränke an die Wände ihrer Immobilien aus dem 19. Jahrhundert pampen, als ob das kein Verbrechen an der Menschheit wäre? Wie kommt irgendjemand auf die Idee, knallrote Wände zu streichen und dann gelbes Dekor à la Live, Laugh, Love aufzuhängen?

Ich bin hier, um meine Traumata auf Papier zu bringen, also bitte, zeigt ein wenig Respekt für eure Gäste, ja?

* * *

Zurück in die Gegenwart. Vor einer Woche habe ich mich endlich dazu aufgerafft, das Arbeitszimmer in meiner Berliner Wohnung umzugestalten.

Kennt ihr das, wenn ihr euer Arbeitszimmer nicht mehr betreten wollt, weil sich dort der ganze Keine-Ahnung-Wohin-Damit-Kram angesammelt hat, der nichts mit eurer Arbeit zu tun hat? Staubsauger lehnen lässig an der Wand, der Kleiderschrank wirkt aus unbekannten Gründen völlig deplatziert (warum eigentlich?), die kleine Couch von eBay-Kleinanzeigen (nicht mehr im Bild, weil schon verkauft) ist zum Wäschekorb verkommen, niemand hat da jemals drauf gesessen.

Insgesamt ergibt das ganze Bild schon seit Monaten keinen Sinn mehr, und umso weniger Sinn es ergibt, desto weniger Lust habe ich, aufzuräumen. Eine Teufelsspirale. Das Foto hier ist obviously vorher.

Also entschied ich kurzerhand, dem Zimmer einen neuen Look zu verpassen, ohne dafür tief in die Taschen zu greifen. Meine erste Amtshandlung 2025, sozusagen. Ich zeichnete wie damals in der Schule einen groben Grundriss auf einen Zettel und malte die Möbel dort auf, wo ich sie haben wollte. Das Schwierigste daran war, mir vorzustellen, wie das Ganze hinterher aussehen sollte – schließlich hatte ich keine vier Männer da, die das Zimmer vorher ausräumen würden.

Ich beschloss, dass ich unbedingt eine dieser bourgeoisen Leseecken haben wollte, die es in meinem Haushalt bisher nicht gab, und auch nicht in dem meiner Eltern. Obwohl das komische Industrial-Regal, das ich 2017 im Sale kaufte, kein richtiges Bücherregal war, nahm ich mir vor, es mit ein paar Tricks wie eines aussehen zu lassen.

Ich stellte einen Teil meiner Bücher um, platzierte meine neue Dumbkamera, einen Kaktus, Ordner mit Steuerunterlagen und Bilder von meinem Hund daneben und arrangierte so lange, bis es mir gefiel. Der Trick war in diesem Fall, das Regal vollzubekommen. Nichts sieht unfertiger aus, als ein leeres Bücherregal, außer ein leeres Pseudo-Bücherregal. Trust me on that one.

Den hässlichen weißen IKEA-Schrank strichen mein Freund und ich kobaltblau, inklusive der Griffe und Schubladen, sodass der Klotz nach zwei Stunden fast wie ein Designerstück wirkte. Was so ein bisschen Farbe ausmachen kann! Fehlte nur noch der Teppich – das einzige neue Stück, das ich für das Zimmer kaufen wollte.

Nach einem spätabendlichen, ernüchternden Besuch bei Rahaus, wo ich mit Ungläubigkeit auf die Preisschilder der hässlichsten Möbel, die ich vielleicht jemals gesehen hatte, starrte, entschied ich mich für einen Basic IKEA-Teppich für 80 Euro, der den Writers Corner mit seinen vielen Farben und Einzelteilen beruhigen sollte. Und siehe da, es funktionierte. Der Teppich war deutlich heller, als der Dielenboden und brachte so auch noch eine gute Portion Kontrast mit in den Raum. Dass Kontraste bei Teppichen besonders wichtig sind, habe ich übrigens bei Caroline Winkler gelernt. Shout out to you, girl.

Hinter den Norwegischen Designer Sessel, dessen genaue Typenbezeichnung ich natürlich wieder vergessen hatte, stellte ich eine alte Lampe vom Flohmarkt, die ich selbst fast für 15 Euro auf Kleinanzeigen verkauft hätte.

Aber ich konnte dann doch nicht und machte kurz vor dem Verkauf einen Rückzieher. Ich hänge an den wenigen Dingen, die ich besitze. Besonders an denen, die ich in meinen Zwanzigern gekauft habe, als ich noch keine Ahnung hatte, dass ich viel länger in dieser Wohnung bleiben würde, als erst angenommen. (Wenn ich es nämlich gewusst hätte, wäre diese Lampe garantiert nicht hier lol)

Vielleicht bin ich deshalb so obsessed mit diesen Räumen und den Möbeln, weil ich meinen Alltag Tag für Tag, Jahr für Jahr seit 2017 in ihnen verlebe. Je schöner und gemütlicher der Raum, desto wohler fühle ich mich bei der intimen Angelegenheit, die das Schreiben nun mal ist. Je schöner und gemütlicher der Raum, sage ich mir, desto weniger kann mir das Außen etwas anhaben, eine ökonomisch unsichere Zukunft, globale Krisen und das Scheitern des Pariser Klimaabkommens.

Gleichzeitig weiß ich, dass es ein Privileg ist, überhaupt ein eigenes Arbeitszimmer, und noch dazu ein so großes zu haben. Zu meiner Verteidigung: ich schlafe im Wohnzimmer in einem Hochbett, und das vermutlich noch eine ganze Weile. Denn ich wollte dieses Arbeitszimmer haben, ich wollte – wenn ich mir schon keinen Co-Working-Space leisten könnte, doch zumindest zuhause einen Ort zusammenstellen, auf den ich in gewisser Weise stolz war, wo ich meine Bücher sammelte und Plakate der Lesungen, an denen ich teilnahm.

Neben dem Regal, hinter meinem Schreibtisch hängen Illustrationen aus meinem zweiten Buch, daneben hängt das Plakat meiner Buchpremiere aus dem Juni 2024. Mancher würde sagen, es sei arrogant, sich sein eigenes Gesicht ins Arbeitszimmer zu hängen, aber wo sonst sollte dieses Plakat noch Gebrauch finden, außer hier?

Wo sollte es jemanden daran erinnern, nicht aufzugeben, immer weiter zu schreiben, selbst, wenn irgendwann wieder finanziell weniger lukrative Zeiten kommen könnten?

Der Beruf der Autorin ist nicht wie jeder andere, und genau deshalb hat mein Writers Room auch diese materielle Relevanz.

Deshalb suche ich nachts wie eine Verrückte nach der perfekten Writers Shed in Portugal oder Frankreich oder Italien, weil es nicht nur Orte sind, an denen ich Touristin, sondern auch Autorin sein werde; weil ich vorher nie weiß, welche Ideen an welchen Orten entstehen könnten, im Nachhinein jedoch schon so oft feststellen durfte, dass viele meiner Manuskripte im Ausland ihren Anfang nahmen, als ich entspannt und glückstrunken aufs Meer schaute.

Die Zeit, die ich außerhalb Berlins verbringe – nämlich drei bis vier Monate pro Jahr–, ist für mich nämlich kein Urlaub, es ist mein Remote Life. Ich wohne dann für mehrere Wochen, manchmal sogar mehrere Monate woanders, und ich möchte mich in den Wohnungen anderer genauso wohl fühlen, wie zwischen meinen geliebten Stickbildern aus Osteuropa, feministischen Büchern und nostalgischen Überbleibseln zuhause.

Ich habe übrigens eine Bleibe in Italien gefunden. Eine moderne, helle, frischrenovierte Dachgeschosswohnung mit zwei Zimmern, vierzig Minuten von Catania entfernt, um knappe 1300 Euro. Der Host ist Architekt, die Terrasse sieht umwerfend aus. Die Küche ist in einem modernen Blaugrün gestaltet und in das offene Wohnzimmer integriert, von dem aus man direkt die Terrasse erreicht. Plastikstühle sind nirgendwo zu finden. Die Gegend ist noch nicht mit Touristen überlaufen, lese ich auf einem Blog und ich hoffe, das wird noch eine Weile so bleiben.

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