Irgendwie erinnert mich das alles schrecklich an Corona, denke ich mir, während ich versuche meine rinnende Nase mit einem Stück Klopapier zu stopfen. Meine Haare sind zu einem auseinanderfallenden Zopf geflochten, die grüne Jogginghose mein Trend-Piece der Saison.

Kranksein nach Corona will never feel the same again, oder? Zu kurz ist das kollektive Trauma erst her, das uns alle auf unangenehmste Weise in die viel zu engen vier Wände zwang. Obwohl es keine Ausgangssperren gibt, und obwohl ich erst (?) seit zehn Tagen zuhause bin, fühle ich mich mindestens so einsam wie im Winter 2021.

My home is my Altbau-Gefängnis. Freunde treffen geht nicht, weil Ansteckungsgefahr, ich verpasse alle interessanten Termine und den Brunch im Garten, ich werfe Ibus morgens, mittags, abends und konsumiere einen Haufen Kultur weg, den ich sonst wohl nicht vor Weihnachten geschafft hätte.

Deshalb dieser Newsletter. Für alle, die sich auch gerade in der Berliner, Wiener, Hamburger, New Yorker U-Bahn anstecken, in der ohne Masken und ohne vorgehaltene Hände und Ellbogen gehustet und geröchelt wird, als hätte es die Pandemie nie gegeben.

Filme

The Iron Claw (4/75)
Night Swim (5/5)
Texas Chainsaw Massacre (Sequel) (3/5)
Life (3/5)
The Deliverance (abgebrochen, weil zu brutal)

M1 take: Wie gut ist eigentlich Zac Efron in „The Iron Claw“? Gemeinsam mit dem Dude von „The Bear“ hätte er mich in diesem Sportler-Biopic über toxische Familiendynamiken fast zum Weinen gebracht, unbedingt unbedingt ansehen. Genauso wie den überraschend einfallsreichen Horror-Film „Night Swim“, der sich um eine übermächtige Force im Pool dreht. Ich habe drei Mal geschrien, und musste mir die Augen zuhalten. Und das soll was heißen! Auch zu empfehlen ist der schon etwas ältere Film „Life“ – ein Hochglanz-SciFi-Movie mit Jake Gyllenhaal, das in OuterSpace erstmals übermenschliches Leben im Labor untersuchen möchte. Dass das schiefgeht? Keine Frage.

Serien & Reality TV

RTL Dubai Diaries (1/5)
RTL Bachelorette (1/5)
Netflix The Perfect Couple (2/5)
Netflix Selling Sunset Staffel 8 (3/5)
Netflix Selling the OC Staffel 1 (2/5)

M1 take: Was Serien angeht, bin ich aktuell ziemlich enttäuscht. Nach “The House of the Dragon” gibt es neben der Herr der Ringe Serie „Ringe der Macht“, die ich übrigens nicht schaue, grad nichts auf dem Markt, das mich wirklich packt. Deshalb erstmal wieder zu Altbekanntem wie der Bachelorette greifen, die mich aber irgendwie „nicht so abholt“.

Anders als die letzte Princess Charming Lea hat Stella ungefähr so viel Charakter wie eine gekochte Kartoffel. Ohne Salz. Da fehlt was! Meinung, Ecken und Kanten, das gewisse Etwas, das nicht daraus besteht gerne Kurse im Fitness-Center zu veranstalten. Wenn Stella lacht, ey! Da will ich gleich abschalten. Dieses Kleine-Mädchen-Gekicher ist nicht auszuhalten. Besonders dann nicht, wenn es eigentlich mal um ernste Themen gehen könnte. Außerdem habe ich das leichte Gefühl, dass RTL mit seiner Wahl nur queerbaiting betreibt, um „diversere Audiences“ im Polycule zum Abo zu locken. Dort bekommen sie trotzdem vor allem eines zu sehen: junge, dünne, durchtrainierte und vorwiegend weiße Körper. Irgendwie ekelhaft.

Apropos ekelhaft, da sind wir bei RTL schon richtig. In Dubai Diaries kann man die „Schickeria“ Dubais rund um den YouTube Aussteiger Simon Desue beobachten, der sich mit seiner Ehefrau in den Arabischen Emiraten sichtlich … unwohl fühlt. Kein Wunder, sind die Menschen, mit denen er sich umgibt doch alles andere als von der empathischen Sorte. Glitzer, Hitze und Albereien in der Wüste – soll das der Sinn des künftigen Lebens sein? Merkste selbst, Simon. Da würde ich auch Depressionen bekommen.

Musik

Album Rachel Chinouriri – What A Devastating Turn of Events (5/5)
EP Cecile Believe – Tender the Spark (5/5)
Release FKA twigs – Eusexua (10/5) !!!!!!
Katy Perry – I’M HIS, HE’S MINE ft. Doechii (2/5)
Camila Cabello – “Godspeed / “June Gloom” | 2024 VMAs (5/5)
A$AP Rocky – Tailor Swif (3/5)

M1 take: Die britische Sängerin Rachel Chinouriri ist MEIN Fund des Krankenstands. Ich könnte mir wahrscheinlich jede ihrer Zeilen irgendwo tätowieren lassen, so gut sind die Lyrics (What if I’m not worth healing? What if I like this feeling?). Gerade habe ich Chinouriri – wie sollte es auch sonst sein – am Reeperbahn Festival verpasst, weitere Deutschland-Termine konnte ich erstmal nicht finden, also hört einfach beim Streaming-Anbieter eures Vertrauens rein, wenn ihr Bock auf eine bunte Genre-Mischung à la SZA habt.

Ansonsten kann ich diesen Newsletter nicht schreiben, ohne die Release von FKA Twigs neuer Single Eusexua zu kommentieren. WIE BRILLIANT ist dieses Video, das fast schon einem Kurzfilm gleicht? Ich liebe die early 90er-Büro-Aesthetics trifft Mother Earth, die contemporary Dance-Movements, das ganze Konzept dahinter. Und natürlich ist Eusexua auch ein würdiger (und inzwischen imho schon fast überfälliger) Brat-Nachfolger, der wohl für die Glückseligkeit kurz vor einem Orgasmus stehen soll. Einem Ort, an dem ausnahmsweise mal wirklich alles in Ordnung ist.

Überraschend gut fand ich auch Camila Cabellos VMA Performance von Godspeed? Da hat jemand die Trennung von Shawn Mendes rausgelassen, oder? Ansonsten: Katy Perrys zweite Single-Auskopplung ihres bitter gescheiterten Comebacks ist im Vergleich zu „It’s a Woman’s World“ gar nicht mal so schlecht. Was… die Sache jetzt natürlich nicht GUT macht, aber besser ist besser als komplett scheiße, oder? Würde der Song bei meiner Mutter im Auto laufen, würde ich zumindest nicht umschalten. Was für ein Kompliment! Ob die gespreizten Beine auf der Motorhaube Perry zu einer „guten Feministin“ machen, überlassen wir einfach dem Choice-Feminism. Solang’s ihr gefällt?
Keine Ahnung, ohne Witz.

YouTube & Öff-Rechtlich

Die wahren Gründe hinter Stefan Raabs Comeback (1/5)
Rachel Chinouriri – Behind ‘What A Devastating Turn of Events’ (5/5)
fka twigs: New era fashion & lore (3/5)
A think piece on Chappell Roan’s VMAs performance (4/5)
“Men are NOT more logical. They simply lack empathy.” (nur kurz angefangen)
Alicia Joe: Wie das Magazin Royale Nazis in die Karten spielt
ARD: Past Forward: Kinderkriegen in Krisenzeiten: verantwortungslos oder jetzt erst recht? 
Das Erste: Ist mit Ihnen ein Staat zu machen, Frau Wagenknecht?

M1 take: Hab ich wirklich ein Video über Stefan Raab in dieser Kultur-Review drinne? Sieht ganz so aus. Irgendwie hat mich sein Comeback doch ein bisschen „bewegt“. Das letzte Mal, dass ich Raab im Fernsehen gesehen habe, habe ich noch in Wien gewohnt, Publizistik studiert und wusste nicht, ob ich jemals irgendetwas veröffentlichen würde, das außerhalb meines Blogs stattfindet. Raabs Abwesenheit steht für mich deshalb symbolisch für meine eigene kreative berufliche Weiterentwicklung. Den Gap, den ich geschlossen habe. Yep. I can make everything about myself.

Schaut ihr das ZDF Magazine Royal noch so gerne wie früher? Manchmal hat man so ein Gefühl, oder weiß nicht genau, woran’s liegt, dass man einen Content Creator, Journo oder eine Sendung nicht mehr so mag. „Liegt’s an mir? Habe ich mich selbst einfach nur weiterentwickelt?“, lautet wahrscheinlich die Frage vieler Frauen und FLINTA, suchen wir die Schuld bekanntlich doch am liebsten bei uns selbst.Manchmal liegt’s aber auch daran, dass bei genauerem Hinsehen doch gewisse, spürbare Widersprüche auftauchen. Da ist seit Längerem dieser unangenehm erhobene Zeigefinger, es gibt krasses Schwarz-Weiß-Denken, alle möglichen Menschen sind: Nazis.Ich konnte lange nicht genau sagen, warum ich mich von der Sendung irgendwie nicht mehr abgeholt fühle, obwohl sie früher zu einem meiner liebsten Zeitvertreiben zählte. Dann habe ich heute im Krankenstand dieses Video von Alicia Joe entdeckt.Well, it hit different.

Ansonsten empfehle ich tiefere Einblicke in Chinouriri und Twigs Werke, und eine Analyse zu Chappell Roans Jeanne d’Arc‘scher Performance bei den VMAs. Schreibt man das so? Egal. Schaut einfach rein.

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Eure Groschi

Hi, ich bin Bixe Jankovska, Autorin und hauptberufliche Kritikerin (meiner selbst und unserer Gesellschaft).

Egal, wo ich mich in diesem Internet umsehe: Die Blogs meiner Zwanziger sind tot. Alle sind sie weg, und durch neue Macher*innen auf Insta, TikTok und YouTube ersetzt worden. Auch ich habe mich oft gefragt, ob ich Groschenphilosophin schließen soll. Nach 10 Jahren – und dem dazugehörigen Buch – wäre das ein schöner Abschluss, ein richtiges, gedrucktes Good-Bye.

Aber es wäre auch: schade. Denn Groschi ist eben auch Last Blog Standing. Der einzige noch übrige Blog seiner Art, auf dem eine Frau ü30 das popkulturelle Geschehen in altbekannter Manier kommentiert. Nämlich schriftlich – und noch dazu unabhängig von einer männlich-dominanten Redaktion oder externen Werbepartnern.

Wer jetzt kann, weil festangestellt, schon geerbt, oder in einer safen Partnerschaft mit einem spendablen Menschen – kann meine Arbeit 2025 am besten via steady oder PayPal unterstützen. Danke.

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