Wenn ich mich bei einer Dating-Plattform anmelde, ticke ich als erstes Matching-Kriterium „Bachelorabschluss oder höher“ an. Damit ich auch ganz sicher gehen kann, menschlich nicht enttäuscht zu werden! Ja, ich möchte doch eine gleichberechtigte Beziehung, und wie bekomme ich die sonst wenn nicht mit einem Akademiker-Mann?

Nach Jahren, in denen ich zwanghaft versuchte, Männer aus der Arbeiterklasse zu meiden als wären sie Bürger zweiter Klasse, wurde mir dieses Jahr klar, dass mein Denken nicht nur fehlerhaft, sondern zutiefst problematisch und klassistisch ist.

Ich bin mir trotzdem relativ sicher, dass ich damit als Akademikerin nicht alleine bin.

Die Geschichte der „Single Akademikerin“

Denn wer hat sie nicht gehört, die gruselige Geschichte der verzweifelten, alleinstehenden Akademikerin, die partout keinen passenden Mann findet? „Übrig“ bleibt? Es ist ein vertrautes Narrativ: eine hochgebildete, erfolgreiche Frau kämpft im 3-Zimmer-Altbau mit ihrem Single-Dasein! Obwohl sie „alles“ hat, fällt es ihr schwer, Partner zu finden, die ihren intellektuellen Ansprüchen genügen. Doch gerade dieses Narrativ – dass es etwas Schlechtes, ja fast schon Peinliches ist, jemanden mit weniger Bildung zu daten – verstärkt tief verwurzelte klassistische Vorurteile und hindert Frauen an ihrem persönlichen Glück.

Warum ich das weiß? Weil ich es selbst mehr als nur einmal erlebt habe. Dahinter stecken natürlich auch persönliche Beweggründe. Let’s unpack!

Flucht aus der Arbeiterklasse

Ehrlich gesagt habe ich meine halbe akademische Laufbahn aus dem Grund eingeschlagen, endlich der Arbeiterklasse zu entkommen. Es gab einfach zu vieles, das mir am Aufwachsen in der Working-Class bitter aufstieß. Ich war frustriert von den starren Geschlechterrollen, die mir suggerierten, dass ich einen Mann zum Überleben bräuchte. Die höchste Career-Aspiration? Sekretärin in einem Industriegebiet. Prost, Mahlzeit.

Und dann diese Gespräche! Konnten die Menschen über nichts anderes sprechen, als Autos, Rasenmäher, Nachbarn und das Wetter? Es schien, als ob die Gedanken der Leute um brutalst banale Dinge kreisten. In welcher Farbe sollen wir den Zaun streichen? Hast du Klopapier gekauft? Haben wir noch Sekt im Keller? Linguisten nennen das „phatische Gespräche“.

Der Begriff der phatischen Kommunikation geht auf den polnischen Anthropologen Bronisław Malinowski zurück. Er definiert die phatische Kommunikation als „eine Art der Rede, bei de…

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