Ich bin bei meinen Eltern und schlage die BUNTE auf. Lola Weippert – bekannt als RTL-Moderatorin und Influencerin – spricht ehrlich darüber, dass sie sich lange zu Männern hingezogen gefühlt hat, die ihren Selbstwert runterzogen. „Ich fühlte mich wie eine Drogenabhängige“, sagt sie. „Der Mann sagte immer: Du hast zu viele Ansprüche, so viele Probleme, sei froh, dass ich mich überhaupt auf dich einlasse – und ich gab ihm recht.“

Bis August 2021 war sie mit Florian M. zusammen, anschließend bis Anfang 2023 mit dem Profi-Surfer Eric Plancon liiert – wie man im Promi-Sprech so gerne sagt.

„Waren alle ihre Beziehungen toxisch“, fragt die Interviewerin. Und ich frage mich: Seit wann reden „wir“ so offen über emotionalen Missbrauch in Beziehungen? Denn nichts anderes ist es, wenn sich Menschen von ihren Partnern herabwürdigen, diskreditieren und kleinhalten lassen. Toxische Beziehungen haben Lola Weippert zum Umdenken bewegt. Und sie ist nicht die erste Prominente, die offen zugibt:

Toxische Menschen und ihre Manipulationsversuche zu erkennen, ist Champions League.

Anderes Beispiel gefällig? 2023 warf die Athletin Sarah Brady dem Hollywood-Schauspieler Jonah Hill ebenfalls emotionalen Missbrauch vor. Am 7. Juli begann Brady damit, Screenshots mehrerer Textnachrichten in ihrer Instagram-Story zu veröffentlichen, die er ihr während der Beziehung geschickt haben soll. Zunächst hielt sie den Absender anonym, erst später machte sie ihn öffentlich. Anhand der Beweiskette irritierender Nachrichten bezeichnete die Amerikanerin Hill schließlich als “frauenfeindlich”.

Wer sich folgende Story ansieht, bemerkt (hoffentlich) bereits die ungesunde Dynamik, in der Brady verzweifelt versuchte es ihrem Partner recht zu machen, indem sie auf alles verzichtete, was ihr Spaß machte. Ein klassisches Merkmal ungesunder Beziehungen, die mitunter dadurch charakterisiert werden das Opfer in konstante Angst zu versetzen, verlassen zu werden.

Und auch Tori Spelling, bekannt aus Beverly Hills 90210, sprach unlängst in ihrem Podcast über das Ende ihrer Ehe. Sie blieb länger als gewollt in der Beziehung, weil sie Angst hatte nie wieder jemanden zu finden, der mit ihrem Status klarkommt. Gegenüber Schauspiel-Kollegin Shannen Doherty sagte sie: „Ich weiß nicht, ob ein Mann die Tatsache ‚überwinden‘ kann, dass eine Frau erfolgreich ist, unabhängig davon, ob er selbst ‚einen großen Status oder sein eigenes Ding hat‘.“ Was passiert, sobald eine erfolgreiche Frau mit einem komplexbehafteten Mann zusammenkommt? Surprise, Surprise: toxische Beziehung!

Weg mit der Scham!

Die Scham, als Promi zuzugeben: „Ja, ich war in einer toxischen Beziehung und habe das mit mir machen lassen“ ist regelrecht … verschwunden! Normalerweise senden Promis gerne generische Pressemitteilungen aus, in denen sie irgendetwas von „Wir bleiben als Freunde verbunden“ faseln.

Und selbst, wenn sie offensichtlich keine Freunde bleiben (Angelina Jolie und Brad Pitt), wird über die Trennungsgründe auffällig laut geschwiegen. Inzwischen scheint es aber so, als ob viele Frauen genau darauf keine Lust mehr hätten. Denn über die eigene Geschichte zu sprechen, ist ein Reverse-Power-Move. Eine Möglichkeit, das Geschehene zu verarbeiten und vielleicht noch wichtiger: Andere zu warnen (siehe auch mein Beitrag zu #TrustHisEx). Indem immer mehr Promi-Frauen darüber sprechen, was genau ihnen passiert ist, können auch „Normalos“ merken, wenn etwas in ihrer eigenen Geschichte nicht stimmt.

Instagram-Therapy trägt natürlich auch ihren Teil dazu bei

Es ist fast unmöglich, den Unmengen an Beziehungs-Content auszuweichen und nicht irgendwann über ein Reel über narzisstische Verhaltensweisen, Red Flags in Early Dating oder Signs you’re being manipulated zu stolpern. Und ja: Der Shit ist wirklich hilfreich, und kein faktenloses Gelaber! Durch Accounts wie jene von Dr. Ramani, Richard Grannon, Dr. Aria Campbell-Danesh oder Jimmy on Relationships werden unsere Antennen für toxisches Verhalten sensibilisiert.

Obwohl ich keine Untersuchung dazu durchgeführt habe, wie viele Break-Ups diese Accounts tatsächlich verursachen, kann ich mir durchaus vorstellen, dass Menschen aufgrund der vorhandenen Online-Angebote toxische Beziehungen früher verlassen, als noch vor ein paar Jahren, wo das Leiden zu einer traditionellen Heten-Beziehung quasi dazugehört hat.

Als ich jünger war, war es völlig normal, den Kontakt zu seinen Ex-Freunden abzubrechen, sobald man in einer neuen Beziehung war. Denn: Beziehung > alles, auch deine wichtigsten Bezugspersonen aus der Vergangenheit. Es war völlig normal, sich nicht mehr freizügig anzuziehen, weil das den Freund stören könnte und es war normal, sich sieben Mal am Tag anzurufen, um up-to-date zu bleiben – AKA kontrolliert und überwacht zu werden.

Niemand hat sich etwas dabei gedacht. Und ohne Reflektion kann es durchaus auch noch heute passieren, in diesen erlernten Beziehungsmustern zu landen. Nichts ist einfacher, als eines Tages in einer toxischen Beziehung aufzuwachen, weil sich der Anfang angefühlt hat wie ein niemals endendes Übernachtungsdate.

Trennung ist durch: Heute vs. damals

„So, Trennung ist durch“ schreibt mir eine Bekannte per WhatsApp und ich schreibe ihr: „Gratulation.“ Früher hätte ich geschrieben: „Oh, das tut mir leid, ihr wart so ein süßes Paar!“ – aber heute sind wir aware. Wir sprechen mit unseren Freundinnen, Bekannten, Ex-Studi-Kolleginnen auf Partys und in Meetings darüber, was in unserem Privatleben passiert, während es passiert. Weil wir uns: nicht mehr schämen, und die Schuld auch nicht mehr auf uns nehmen, dass uns jemand wie den letzten Dreck behandelt. Wir sagen: „Dump him. Thank you, next.“

Durch intensive Therapie, Online-Angebote, die „Outings“ von Promi-Frauen und das Teilen unserer eigenen Geschichte in Form von hilfreichen Videos oder Erfahrungsberichten (auf Social Media) verliert die toxische Beziehung langsam ihren Mythos – und damit auch ihren Reiz. Statt uns länger auf die alten Narrative kitschiger Hollywood-Filme zu verlassen, verlassen wir: Männer, die unsere Psyche schädigen. „Is everyone dating pathological liars now?“ titelte unlängst TheCut. „Or are high-profile tales of deception encouraging more women to expose their exes’ red flags?”.

Fakt ist: Je mehr Frauen über ihre Abuser sprechen, desto empowerter werden wir als Feministinnen.

Je mehr Frauen die Namen ihrer Abuser an ihre Freundinnen und Bekannten senden, desto empowerter werden wir als Bewegung. Auch das ist etwas, das ich erst seit Neuestem beobachtet habe.

Und: Je schneller FLINTA gewaltvolle Beziehungen verlassen, desto weniger Schaden kann uns als Kollektiv zugefügt werden. Je mehr Unterstützung wir haben, uns aus diesen Konstrukten zu befreien, desto schneller steigt auch wieder unser Selbstwert.

Die Normalisierung von #toxicrelationships ist: vorbei.

Ich frage mich, ob den meisten Frauen bis vor Kurzem (sagen wir: 2020) überhaupt bewusst war, dass sie sich in einer toxischen Beziehung befinden könnten – so normal waren grenzüberschreitende Streits, Silent Treatment und Betrug, und sind es zum Teil natürlich heute noch.

Feminism came a long way – und so sind wir uns auch als Schwestern nähergekommen. Statt uns gegenseitig zu hassen, schreiben wir Exen an, teilen Screenshots und senden Namen. Wir haben angefangen, uns – so banal es klingt – um uns selbst zu kümmern, unsere Sicherheit, unseren Seelenfrieden an erste Stelle zu setzen. Und nicht das Ego und die Bedürfnisse eines Lulus. Manche Influencerin droht schon damit, die koreanische 4B-Bewegung in die Staaten, oder gar nach Deutschland zu bringen.

Für alle, die sie noch nicht kennen: Die 4B-Bewegung ist eine radikalfeministische Initiative, die im Jahr 2019 entstand. Die vier B’s bedeuten: Bihon (Nein zur heterosexuellen Ehe), Bichulsan (Nein zum Kinderkriegen), Biyeonae (Nein zum Dating von Männern) und Bisekseu (Nein zu Sex mit Männern). 2019 soll die Bewegung 4000 Mitglieder gehabt haben. Heute ist die genaue Zahl undefiniert, man geht jedoch von einer Spanne von 5000 bis 50.000 Teilnehmerinnen aus. (Quelle: Watson.ch.)

Weg mit den schlechten Männern

Ich finde: Besser 4B, als 1 x t(oxic). „Jetzt bin ich bereit, einen Mann zu finden, der mich aufblühen lässt und mich nicht für sein eigenes Selbstbewusstsein klein macht“, schreibt Weippert und ich kann ihr nur zustimmen. Meine Freiheit geht mir über alles, und ich werde mich nie wieder von einem Mann schlechtmachen lassen, weil er meinen Feminismus nicht versteht und lieber hätte, dass ich mit meinem „Sexblog“ aufhöre.

Nie wieder werde ich es tolerieren, dass mir gesagt wird, welches Parfum ich tragen soll, welchen Bademantel ich kaufen oder mit wem ich zum Abendessen gehen darf. Emotionaler Missbrauch schlägt nicht nur selten in physischen um, er ist genauso schädlich.

Psychischer vs. physischer Missbrauch

„Betroffene berichten von psychischer Gewalt als Vorstufe zur körperlichen Misshandlung gleichermaßen wie von ‚nur‘ psychischer Gewalt“, steht in der Untersuchung Psychische Gewalt gegen Frauen vom Verein Wiener Frauenhäuser. „Tritt die psychische Gewalt ohne Kombination mit anderen Gewaltformen in Erscheinung, so wird sie oftmals nichternst genommen oder unterschätzt.“

43 Prozent der EU-weit befragten 42.000 Frauen zwischen 18 und 74 Jahren waren in den 12 Monaten vor der Befragung psychischer Gewalt ausgesetzt, die entweder durch den aktuellen oder einen früheren Partner verübt wurde. Sie wurden zum Beispiel eingesperrt, öffentlich bloßgestellt, sie erlitten Gewaltandrohungen oder Diskriminierung.

Die empirische Untersuchung wurde 2014 publiziert. Heute – zehn Jahre später – würde ich definitiv sagen: Ein Diskurs-Wechsel hat stattgefunden. Emotionale Gewalt wird inzwischen sehr wohl ernstgenommen, und das Thema ist langsam aber sicher im Mainstream angekommen.

Trotzdem müssen wir weiter: darüber reden, reden, reden und aufklären. Solange sich Täter nicht ändern (und, das tun sie statistisch betrachtet leider selten) brauchen wir bessere Antennen, bessere Alarmsysteme und stärkere Boundaries, wenn es darum geht, Männer zu verlassen. Wir müssen unseren Freundinnen gratulieren, wenn sie gehen und uns gegenseitig in der Zeit danach Support leisten. Wir müssen Romantik de-mystifizieren und Klartext sprechen, wenn seine WhatsApps weniger mit Liebe, und mehr mit Besitzansprüchen und Kontrolle zu tun haben.

Wir müssen mutig sein, und mutig bleiben. Oder, sollte ich besser sagen: gehen.

Weiterführende Links

Manipuliert und isoliert: Hannahs Weg aus einer toxischen Beziehung I 37 Grad

Gewalt in der Beziehung: Ich wurde geschlagen – RABIAT!

Emotional Abuse Checklist

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