Wien. Ich sitze mit zwei interessanten, klugen, witzigen Frauen in meinem Alter am Yppenplatz. Der Kellner kommt aus Deutschland und trägt einen Mikropony. Es ist so warm, dass ich keine Jacke brauche, um in meiner Montur bis Mitternacht draußen zu bleiben.

177 Minuten sprechen wir nicht über Männer, keine Sorge, unsere Gespräche drehen sich um wichtigere Dinge. Zum Beispiel unsere Buchverträge, Record-Deals und Förderanträge für Theaterprojekte. Wir sprechen darüber, was wir als Künstlerinnen wirklich brauchen, um uns im Kapitalismus kreativ betätigen zu können, ohne dabei auszubrennen.

Die Vereinbarkeit von Lohnarbeit und Albumschreiben.
Solche Dinge.

Dann erzählt sie es. Eine Geschichte, die mir schon beim Zuhören mehr als bekannt vorkommt. Es ist nämlich immer dieselbe Geschichte. Sie geht so. Ihr letzter Typ war ein ganz Komischer, das letzte dreiviertel Jahr der Beziehung mehr als toxisch. Als es endgültig vorbei war, dauerte es keinen Monat, bis er eine Neue hatte.

„Wo kommen eigentlich immer diese Frauen her, die unsere abgelegten Trash-Männer übernehmen?“, frage ich.

„Das ist es ja“, sagt sie. „Die sind schon vorher da.“

Jetzt bräuchte ich eine Jacke, denn es gruselt mich. Es gruselt mich bei der Vorstellung, dass das, was auch mir bereits zwei Mal widerfuhr, anderen Frauen passiert. So, wie es eigentlich immer ist, denn das Patriarchat kennt keine Einzelfälle. Danach erzählt uns die Dritte im Bunde von einer hässlichen Trennung, nach der sie wochenlang per Telefon terrorisiert wurde. Er hat nicht aufgehört, anzurufen und komische Kommentare auf Instagram zu schreiben. Plot-Twist: Drei Monate nach der Trennung war er bereits mit seiner Neuen auf Urlaub.

Wann haben sie sich kennengelernt?

Wien. Ein anderer Abend, ein ähnlicher Ort. Ich sitze mit einer maximal sympathischen, tollen Frau bei einem weißen Spritzer irgendwo in der Nähe der Gumpendorferstraße. Auch sie ist seit einem halben Jahr wieder singulär. Auch “ihr” Ex-Typ war mehr als fragwürdig. Faszinierend, fragil, „freiheitsliebend“, ich möchte fast sagen abusive, aber so weit aus dem Fenster lehnen brauche ich mich für ein Fazit gar nicht. Was ich höre, ist: Wieder. dieselbe. Geschichte. Nach der Trennung hatte er keine zwei Wochen später eine Neue.

Seither postet er stolz Fotos von den beiden auf irgendwelchen pseudo-roten Teppichen.

Und sie fragt sich, was passiert ist.

* * *

Was ist das für ein Phänomen? Warum bekommen Männer, die sich scheiße verhalten, Frauen ausnutzen, missbrauchen, verarschen, betrügen oder ganz einfach jahrelang neglecten sofort nach der Trennung eine neue Freundin? Instant. Quasi als Dank dafür. Als ob es ausgerechnet für diese Männer eine Warteliste bräuchte.

Und dann lese ich bei Emilia Roig zum ersten Mal von dem Begriff „Love Dumping“. Ich google ihn hinterher, versuche eine Definition bei Urban Dictionary zu finden – aber nichts. Dabei handelt es sich sicherlich nicht um ein neues Phänomen, wir haben scheinbar nur noch keinen Namen dafür gefunden, um unsere Erfahrungen unter einen Hut zu bringen.

Wir dachten einfach, dass wir ersetzt werden, weil wir es nicht anders verdient haben, weil wir nicht nett waren, nicht liebenswert. Nicht genug. Dabei steckt hinter dieser dysfunktionalen Verhaltensspirale weitaus mehr, als die verzweifelte Suche des Mannes nach „…

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