„Wie angenehm“, denke ich. „Endlich mal wieder ein Buch, das nicht so sehr wehtut, dass ich mich danach zwei Wochen in Watte packen muss.“ Real Estate ist ein easy-to-pick-up Buch, ein Buch für vor dem Schlafengehen oder am Strand liegen und ich glaube, mensch braucht manchmal genau diese „unpolitische“ Lektüre, die von allem und nichts handelt, um abzuschalten.
Aber um was geht’s eigentlich? Ja, schwer zu sagen. Denn Deborah Levy beschreibt in Real Estate eigentlich gar kein Real Estate, sondern ihr imaginiertes Unreal Estate der Zukunft, was das Buch schon mal zumindest für alle mittellosen Millennials interessant macht, die gerne in der Freizeit Häuser am Land googeln (erwischt). Levy beispielsweise schwärmt von einem runden fireplace, von Mimosen-Pflanzen und genügend Gästezimmern für all ihre Freunde. Von ihrem Dream-Place zu träumen, hilft ihr regelmäßig, genügend Hoffnung für die Gegenwart zu finden.
“Yes, I had spent a long time trying to have a more bourgeois life. Somehow it seemed hard to get one. My colleagues who really did have well-developed bourgeois lives were always trying to be less bourgeois, but I wanted to move into the neighbourhood.”
Luftig und mit viel Humor schreibt Levy über Alltäglichkeiten und Zufälle, die ihren Tag bereichern. Während des Memoirs können wir die Autorin dabei begleiten, wie sie von London nach Paris und schließlich weiter nach Griechenland in ihre „writer’s shed“ zieht, um dort an einem Drehbuch zu arbeiten.
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In ihren aneinandergereihten, oftmals leicht kontextlos wirkenden Essays stellt sich Levy schließlich die Frage, wer sie als 60-jährige Frau sein möchte. Ihre eigene Mutter war ihr in dieser Hinsicht kein gutes Beispiel, und so bleibt der Künstlerin nichts anderes übrig, diese Transformation am eigenen Leib zu erfahren. Oder, um es in Levys Worten zu sagen: Einen female character zu … entwerfen.
“I didn’t know it then, but I was becoming the writer I wanted to be. I was going to step into her and she was going to step into me.”
Nie ist Levy bitter – selbst dann nicht, wenn sie über ihre gescheiterte Ehe spricht wie über einen gescheiterten Zucchiniauflauf. Selbst dann nicht, wenn es um sexistische Bemerkungen in der Literaturwelt geht, oder um ihren besten Freund aus Teenie-Zeiten, der sich in eine 25 Jahre jüngere Frau verliebt.
Apropos Liebe. Levy liebt ihre Töchter, ohne sie in ihrem Freiraum zu beschränken und hat ein Privatleben, von dem manche 30-somethings träumen. Dating gehört nicht zu den Aktivitäten, die Levy verfolgt. Sie schmeißt lieber Partys für Studentinnen, sie kauft Vintage-Geschirr, sie schlendert über Flohmärkte in Paris und geht in den Buchten der Ägäis schwimmen.
“Of all the arts, the art of living is probably the most important.”
Kritikerinnen würden jetzt vermutlich schreiben, dass Deborah Levy doch auch nur eine privilegierte Autorin ist, die sich das erlauben kann – aber wenn sie uns dabei eindrücklich lehrt, wie the art of living geht, wovon sollte sie dann sonst schreiben?
Ich habe mich über die knapp 280 Seiten hinweg entfernt mit Levy angefreundet. Ich glaube, wir sind jetzt Bekannte, die sich einen Nachmittag unter einem Olivenbaum unterhalten könnten, bevor sich ihre Wege wieder trennen und jede für sich zurück in ihr eigenes Writer Shed geht.