Adam Driver, Lady Gaga, Al Pacino, Jared Leto – „House of Gucci“ trumpft mit einem Allstar Cast auf. Aber to be honest: Wenn ich so viele Stars auf einem Haufen sehe, werde ich schnell skeptisch. Im Falle von „House of Gucci“ in jedem Fall zu Recht. Der Film besticht durch überwältigende Mittelmäßigkeit und schauspielerisch kann mich nur Jared Leto überzeugen (wer hätte gedacht, dass ich diesen Satz nochmal sagen würde).
Was Bianca und ich sonst noch an dem Film zu bemängeln haben und warum wir die Serien “The Assassination of Gianni Versace: American Crime Story” und „Halston“ um Längen besser fanden, könnt ihr im Podcast “Death, Taxes and Neglecting my Fitness” nachhören. Mehr gibt es m.E. zu dem Film dann auch nicht mehr zu sagen.
Wer aber durch den Film mein Interesse geweckt hat, ist die „Lady Gucci“ Patrizia Reggiani.
Was ist nach dem Urteil mit ihr passiert? Wie verbringt eine Frau, die jahrelang mit den Reichen und Schönen dieser Welt gefeiert und gelebt hat 29 Jahre im Gefängnis?
November 1998: Patrizia Reggiani Martinelli, Ex-Ehefrau des 1995 ermordeten 47-jährigen Maurizio Gucci, wird zu 29 Jahren Haft verurteilt. Auch der Todesschütze soll für den Auftragsmord lebenslang ins Gefängnis, sein Fahrer erhält 29 Jahre Haft und die Kartenlegerin wird zu 25 Jahren Haft verurteilt. Der Prozess gilt als einer der spektakulärsten Italiens. Zwei Jahre lang ermittelte die Polizei in die völlig falsche Richtung, vermutete Wirtschaftsbetrug oder die Konkurrenz als Täter und die High Society der Welt wurde nach möglichen Hinweisen befragt. Das untermauert by the way Biancas und meine These, dass der Film mit dem Prozess hätte anfangen müssen, aber geschenkt.
Durch einen anonymen Tipp sind die Ermittler:innen schlussendlich doch auf Patrizia gekommen, der Mordverdacht erhärtete sich. Den ganzen Gerichtsprozess lang bestritt sie die Tat und sprach von einer Verschwörung der vier anderen Angeklagten gegen sie. Schließlich wird sie trotzdem verurteilt und während ihre Kompliz:innen die Tat noch im Gerichtssaal bereuten, schweigt die damals 50-jährige. 2000 wurde ihre Strafe bereits auf 26 Jahre verringert. 2011 hätte sie auf Bewährung entlassen werden können – Reggiani lehnt dies aber entscheiden ab. Ihre Begründung: “I’ve never worked in my life, I won’t start now“. Ihre attitude hat sie im Knast scheinbar nicht verloren. 2016 wird sie dann nach 8 Jahren Haft wegen guter Führung doch vorzeitig entlassen.
“It is all a bad dream to me“, erzählt sie 2016 in einem legendären Interview mit dem Guardian. “I think I am a very strong person because I survived all these years in captivity. I slept a lot. I took care of my plants. I looked after Bambi, my pet ferret.” Im ganzen Interview gibt sie nicht zu, dass sie 18 Jahre im San Vittore-Gefängnis einsaß – stattdessen spricht sie konsequent von ihrem Aufenthalt in der „Vittore Residence“. Ihre beiden Töchter haben sich im Übrigen von ihr abgewandt und den Kontakt abgebrochen. Das Frettchen hat den Gefängnisaufenthalt leider auch nicht überlebt, jetzt hat Reggiani einen bunten Papagei.
2021 geriet Patrizia Reggiani dann nochmals in die Schlagzeilen: Nach dem Tod ihrer Mutter 2019 hat Reggiani Immobilien, Grundstücke und andere Besitztümer im Wert von 14 Millionen Euro geerbt. Die mittlerweile 72-jährige sei von zwei Rechtsanwälten und einem Finanzberater um einen Teil des Erbes betrogen worden. Die Mailänder Staatsanwaltschaft ermittelt.
Die Frau sei zwar nicht unzurechnungsfähig, aber stark manipulierbar, stellen die Ermittler:innen fest.
War Patrizia nun selbst manipulativ oder wurde sie manipuliert? However, ich bleibe dabei, ein Biopic über Patrizia Reggianis Leben hätte ich spannender gefunden als die Gucci-Story. End-Szene: Die über 70-jährige Reggiani, wie sie mit ihrem Papagei auf der Schulter, dunkler Sonnenbrille und einem bunten Tuch im Haar durch die Einkaufsmeilen Mailands flaniert.
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