„Ich bin auf der jährlichen Mottoparty in der Passage, und Karl Voigt schreit: ‚Ich verstehe nicht, warum Terroristen von Politikern immer als feige bezeichnet werden‘, und er bemerkt nicht, dass ihm das Zeug noch sichtbar weiß in den Nasenhaaren hängt, und ich sage, sicher, sicher, klar.“

Wer jemals in Österreich gelebt hat, weiß relativ schnell, welches Klientel Elias Hirschl in seinem Roman „Salonfähig“ parodiert. Es sind die neoliberalen, Slim-Fit-Anzug tragenden Millennials rechts von der Mitte, die vorgeben sich für den Erhalt der Demokratie zu interessieren – aber eigentlich nur ihre eigene Karriere im Sinn haben. Sie schleimen in E-Mails, üben Reden vor Spiegeln und hoffen auf ihren ganz großen Auftritt.

Hirschl schafft es, mich bei jeder Seite zum Schmunzeln zu bringen. Floskeln der „Jungen Mitte“ bringt er lässig in gut verdaubare Lese-Häppchen. „Alles ist nur noch eine Datei, eine abstrakte Zahl. Wie sollen die Leute da noch den Wert von Leistung erkennen?“ Und ja, alle Mitglieder des modernen Beamtentums bekommen ihr Fett ab: Bundesobmannstellvertreter, die Bundeslänger-, Gemeinde- und Bezirksvertreter sowie deren jeweilige Stellvertreter, die Abgeordneten, die EU-Abgeordnete, die Generalsekretärin, die Leiterin Projekte & Planung, der Pressesprecher und die Praktikanten. Manche Wahrheiten entfalten erst beim Ausschreiben ihre Absurdität.

Die von Freunderlwirtschaft geplagte österreichische Polit-Landschaft erscheint nach Lektüre wie ein Wodka-Bull-saufender Kindergarten, der durch Bürokratie, Haargel und durchgekokste Nächte zusammengehalten wird. Und, wenn wir ganz ehrlich sind: Wie weit von der Realität entfernt ist das wirklich?

Der Hauptprotagonist ähnelt einem gewissen jungen Ex-Bundeskanzler sicherlich nur zufällig. So wie alle Protagonisten in Salonfähig sicherlich nur zufällig genau so klingen, wie man sich Anhänger der ÖVP unter Sebastian Kurz vorstellt. Aus juristischer Sicht ist das Buch klug gemacht: es fallen keine realen Namen. Alles könnte theoretisch völlig frei erfunden sein. Niemand kann Hirschl dafür verklagen, dass er ein guter Beobachter eines gewissen Sprachduktus ist. Dass er sich über das milieuspezifische Fachvokabular lustig macht, und den offensichtlichen Klassismus jener Menschen offenbart, denen beim Anblick von Obdachlosen ganz warm ums Herz wird.

Und genau deshalb macht dieser Roman so viel Spaß: er ist nicht ernst genug, um die Leserin mit der Hässlichkeit des Ösi-Politkosmos zu belasten. Er nervt trotz der Themen nicht, sondern bringt mich trotz Smartphone-Abhängigkeit zur Abwechslung wieder zum Lesen.

Mir war es ein Genuss, Hirschls konsistentem Handwerk zu folgen und mich auf die absurde Gedankenwelt des psychopathischen Erzählers einzulassen.

Gegruselt hat es mich bei der Vorstellung, dass da draußen immer noch Männer herumlaufen, die gerade an ihrem authentischsten Selbst arbeiten, in dem sie sich in NLP- und Pick-Up-Artist-Gruppen austauschen. Die Stalking mit Fürsorge verwechseln. Und Kontaktabbrüche mit Liebesbeweisen.

Dass das, was Hirschl „erfunden“ hat, irgendjemandes sad daily life ist.

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