Im Podcast Death, Taxes and Neglecting my Fitness sprechen Esther Ecke und ich über unser Serien-Highlight des Monats Oktober: MAID. Unser Podcast ist verfügbar auf Apple Podcasts, Spotify und YouTube. Höre jetzt rein, oder lies dir erst den Blogpost zum Podcast durch.
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Beim nochmaligen Hören der Podcast-Episode fiel mir auf, dass ich MAID dafür lobe eine realistische Darstellung von Abuse zu zeigen. Realistischer „als sonst“. Heute muss ich sagen: Vielleicht war das nicht ganz korrekt – denn es gibt schon seit zwei Jahrzehnten immer wieder Filme und Serien, in denen subtil und konkret aufgezeigt wird, wie sich zwei oder mehrere Menschen gegenseitig psychische, physische oder finanzielle Gewalt antun.
Dass MAID also in dieser Form erscheinen konnte und auf ein so breites, „bereites“ Publikum traf, liegt auch an der Arbeit, die Filmemacher davor erledigt haben.
Beispiel #1: James Camerons Titanic
Immer, wenn der Film dafür verschmäht wird, eine peinliche Romanze zu sein, muss ich kurz aufschreien und sagen: Nö. Titanic zeigte eine Frau (Rose) in einem Abhängigkeitsverhältnis zu einem gewalttätigen Mann (Cal), der ihr Aussehen, ihre Essenswahl, ihre künstlerischen Interessen und ihr soziales Umfeld kontrollierte und einschränkte. Rose entwickelte dadurch Depressionen und Selbstmordgedanken und plante, das Schiff ohne Cal zu verlassen. Klar, Jack Dawson spielte auch eine Rolle – aber er war nur der Tropfen auf dem heißen Stein. Statt Titanic als kitschige Liebesgeschichte zu framen, hätte man heutzutage wohl gesagt, dass der Film eine gewaltvolle („toxische“) Beziehung darstellt.
Beispiel #2: Lynn Sheltons Little Fires Everywhere
MAID ist nicht der erste Film, der das problematische Machtverhältnis zwischen House-Owner und House-Keeper darstellt. In Little Fires Everywhere wird die Künstlerin Mia von der Vorzeige-Ehefrau und Teilzeit-Journalistin Elena dazu überredet, bei ihr zuhause als Maid zu arbeiten. Schließlich sei das „immer noch besser“, als abends Schichten im China-Restaurant zu schieben. Obwohl Mia das Geld braucht, fühlt sie sich in der Rolle unwohl. Logisch – schließlich ist Elena der Boss. Und das? Zeigt sie Mia auch immer wieder deutlich.
Beispiel #3: Rowan Joffés Ich. Darf. Nicht. Schlafen.
In dem Thriller geht es um eine Frau, die Amnesie hat. Jeden Morgen wacht sie in einem unbekannten Haus im Bett neben einem unbekannten Mann auf. Der erklärt ihr, dass er ihr Ehemann sei und sie vor zehn Jahren ihr Gedächtnis bei einem schweren Autounfall verloren habe.
Doch es wäre kein Thriller, würde die Geschichte stimmen. Natürlich findet die Frau (gespielt von Nicole Kidman) im Laufe der Story heraus, dass nichts ist, wie sie denkt. Ihr „Mann“ ist gar nicht daran interessiert, dass sie ihr Leben wieder in den Griff bekommt, sondern findet das Abhängigkeitsverhältnis sogar gut. Durch Kidmans fehlende Erinnerungen kann er jeden Tag mit ihr so beginnen, und so enden lassen, wie er möchte.
Okay, aber jetzt nochmal zur Frage zum Beginn.
Warum habe ich gesagt, dass MAID „anders“ ist, als andere Serien und Filme? Wenn es doch genügend Filme gibt, die Abuse thematisieren.
Vielleicht liegt der Grund dafür darin, dass die Gewalt, die Alex erfährt, absolut zentral ist. Die Gewalt, der Abuse ist die Handlung. Kein kleiner Side-Dish am Rande der Story. Es geht nicht darum, dass Alex sich in einen anderen verliebt, und mit dem Good Guy durchbrennt. Es geht nicht darum, dass sie einen verlorenen Bruder am anderen Ende der Welt sucht, mit dem sie gemeinsame Traumata teilt und es geht auch nicht darum, dass sie eine Krankheit hat, die sie erst in die Lage bringt, abused zu werden.
Abuse in seiner „ganz gewöhnlichen“ Reinform ist das zentrale Element der Serie. Und wir als Zuseherinnen können live dabei sein, wie er sich in jeden Aspekt dieser „ganz normalen“ Frau frisst, die einem auf der Straße vermutlich nicht einmal aufgefallen wäre.
Es ist das vermeintlich Banale, das die Serie so grausam macht, weil es uns allen in der einen oder anderen Form bekannt – oder sogar als “normal” – vorkommen wird. Man erkennt sich alle halbe Stunde wieder. Im Financial Abuse, den Alex durch Behörden erfährt, oder dem Emotional Abuse, den sie durch Sean erfährt. In der Manipulation von Nate, oder dem Narzissmus der Mutter.
Das ist es, was MAID anders macht. Die Details einer schrecklichen, wenn doch statistisch betrachtet gewöhnlichen Situation werden schonungslos in einer noch nie dagewesenen Dichte offengelegt, sodass es manchmal schwerfällt, überhaupt weiterzuschauen. Es ist die Panik in Alex Augen, wenn sie merkt, dass das Konto wieder ins Minus gerät. Ausgerechnet dann, wenn sie unbedingt Sprit braucht, um zu ihrem Job zu kommen. Es ist der Schimmel an den Wänden, der Alex und ihrer kleinen Tochter keine Wahl lässt, als wieder auszuziehen.
Manchmal hoffe ich, dass es Serien wie MAID sind, die unserer Gesellschaft den Spiegel vorhalten. Serien, die zeigen, wie schädlich es ist, das eigene Verhalten unreflektiert an eine neue Generation weiterzugeben. (Und dabei auch noch der festen Überzeugung zu sein, Recht zu haben.)
MAID, seit Oktober auf Netflix.