Ganz ehrlich: Ich habe noch nie etwas von Flatster gehört. Liegt wahrscheinlich daran, dass ich als Millennial nicht zur Zielgruppe gehöre. Ich kaufe keine einzelnen Songs, ich streame.

Aber egal, denn heute soll es nicht um mein Nutzungsverhalten, sondern um eine aktuelle Entscheidung des LG Köln (08.01.2021) zur Haftung von Internetradiorecorder-Betreibern gehen.

Ja, sowas gibt es!

Okay. Was also kann der Dienst Flatster? Er schneidet Musik von Web-Radios mit, kopiert den Mitschnitt als MP3-Datei und stellt sie seinen Nutzern ohne nervige Moderation & Co. in einem Speicherplatz zum Download zur Verfügung.

Der Dienst funktioniert quasi nach dem Prinzip eines Kassettenrekorders aus den 90ern – Kassette einlegen, Rec-Taste drücken und Musik aufnehmen – und wird vollautomatisiert umgesetzt. Die Website erinnert an die frühen 00er-Jahre, das Basic-Paket kostet 4,49 Euro. Ein Preis, bei dem man auch schon bei Spotify oder Apple Music dabei wäre.

Hallo, die 00er-Jahre haben angerufen

Tatbestand oder auch: Warum wurde Flatster eigentlich verklagt?

Die Idee einer Klage klingt erstmal schlüssig. Welcher Musiker möchte schon, dass seine Musik irgendwo auf einem seltsamen Streaming-Dienst unentgeltlich zum Download bereitgestellt wird?

Die Klägerin ist in diesem Fall aber gar kein konkreter Musiker, sondern ein Unternehmen aus dem Musik-Biz, das Geld für die vermeintlich widerrechtliche Handlung wollte. Es war jedenfalls der Auffassung, dass es doch nicht sein kann, dass hier ein Internetradio-Recorder einfach so Musiktitel des Künstlers Thomas Anders ohne Zustimmung mitschneidet, und öffentlich für alle Welt zum Download zur Verfügung stellt.

Das Unternehmen ging davon aus, dass das Abspeichern des Titels auf den Servern von Flatster illegal ist.

Oder, auf juristisch:

Ich komme gleich dazu, was diese Paragraphen bedeuten. Zuerst müssen wir aber noch herausfinden, ob diese Anschuldigungen überhaupt stimmen.

Wie haben die Beklagten argumentiert?

Tja, die sind ziemlich fein raus. Denn der eigentliche „Kopier“-Vorgang wird nicht von den Betreibern der Website ausgelöst, sondern von deren Nutzern. Wenn ein Kunde Flatster nutzt, löst genau dieser eine Nutzer einen rein technischen Vorgang aus, der vollständig automatisiert und ohne menschlichen Eingriff von außen abläuft.

Flatster? Hat somit (angeblich) gar keine Macht über den Aufnahmevorgang. Außerdem wird hier gar nix öffentlich zugänglich gemacht. Denn das würde voraussetzen, dass Dritte auch Zugriff auf den Download-Link zur Musik hätten – was sie aber nicht haben, da die Musik immer nur einem Kunden im Privaten zur Verfügung gestellt wird. Geregelt ist die öffentliche Zugänglichmachung in § 19a: „Das Recht (…) das Werk (…) einer Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.“

  • 19a ist also raus.

Naja, und was machen wir mit dem Server-Argument?

Schließlich muss die Musik ja zwischenzeitlich vor dem Download irgendwo gespeichert werden. Oder etwa nicht? Doch, doch! Die Musiktitel werden den Nutzern auf einem cloud-basierten individuellen Speicherplatz zum Download bereitgestellt.

Im Falle von Flatster wird nach aktueller BGH-Rechtsprechung jedoch alleine der Kunde als Hersteller der Radiomitschnitte gesehen. Flatster nimmt nach rein technischer Betrachtung lediglich die Funktion eines Tonbandgerätes ein und funktioniert als Werkzeug.

Ziemlich praktisch, denke ich mir gerade. Da bietet man einfach einen vollautomatisierten Download-Dienst an, hat angeblich „nichts damit zu tun“ und schiebt dem Kunden die volle urheberrechtliche Rechtsverletzung in die Schuhe. „Der Peppi war’s!“

Praktisch, weil: Privatkopien sind ja nach wie vor erlaubt (§ 53 Abs. 1 UrhG)

Moment mal! Heißt das jetzt, ich werde als Flatster-Nutzer verklagt? Nein. Denn alle Flatster-Nutzer können sich auf die sogenannten Schutzschranken berufen. Man umgeht damit so ein bisschen den Paragraphen § 16 – Vervielfältigungsrecht.

Demnach ist es erlaubt, einzelne Titel zum privaten Gebrauch auf egal welchem Träger zu speichern und zu hören. Betonung auf privater, nicht-kommerzieller Gebrauch – also bitte damit nicht auf irgendeiner Party auflegen. Denn dann würde man diese eigentlich private Kopie wieder einer Öffentlichkeit zugänglich machen und müsste sich Worst Case zumindest an die GEMA wenden.

Der Gesetzgeber bleibt dabei: Die erlaubnisfreie, zulässige Privatkopie bleibt trotz Musikaufnahmedienste und intelligenter Aufnahmesysteme bestehen.

Klar kann man kritisieren, dass Geschäftsmodelle wie Flatster mit diesen Schranken des Urheberrechts spielen. Das Problem der „digitalen Privatkopie im Zeitalter der Exception based Business Modelle“ muss final vom Gesetzgeber korrigiert werden.

Fazit

Die Klage wurde abgewiesen. Flatster muss keinen Schadensersatz zahlen.

Es handelt sich bei dem Dienst Flatster nicht um eine öffentliche Zugänglichmachung, denn dafür muss ein Titel einer Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Da Flatster jeden Titel nur einem einzelnen Kunden zugänglich macht und die Titel nicht massenmedial verschiedenen Usern zugänglich macht, ist er fein raus.

Dank Schrankenregelung im Urheberrecht also noch mal Glück gehabt.

 

Quelle: OLG Köln, Urteil vom 08.01.2021 – 6 U 45/20 – openJur

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