Das Problem mit Texten über Berlin ist, dass sie der Stadt nie gerecht werden. Ich könnte dieses Essay noch vier Mal von vorne schreiben, jedes Mal mit einer neuen Anekdote einsteigen – am Ende würde ich immer wieder zum selben Fazit kommen. Dass Berlin das ist, was man daraus macht; und dass man irgendwann auch selbst das wird, was die Stadt aus einem gemacht hat.

Long Read, Essay, 20.000 Zeichen

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Fünf Jahre. Fünf Jahre Zeit hatte ich mir für diese Stadt gegeben. So lange wie eine reguläre Legislaturperiode in Österreich. Oder ein Studium mit zehn Semestern. Fünf Jahre, so dachte ich, wären lange genug, um alles gesehen zu haben oder zumindest selbst gesehen worden zu sein. In fünf Jahren würde ich dreißig werden, und was macht man dann noch in so einer Stadt. Nach fünf Jahren, nach fünf Jahren könnte ich wieder gehen.

Das waren damals meine Gedanken.

Ich weiß noch, wie ich nach einer nicht enden wollenden Wohnungssuche im Herbst 2016 den leicht überteuerten Mietvertrag für eine sanierungsbedürftige Zwei-Zimmer-Wohnung im vierten Stock unterschrieb. 13351 war von nun an meine neue Postleitzahl. Ich war wahnsinnig erleichtert, nicht sofort wieder zurück nach Wien ziehen zu müssen.

Vier Monate und fünfzig Quadratmeter heruntergerissene Raufasertapete später stand ich in der frischgefliesten Küche und handelte mit mir selbst die Zeit für mein künftiges Verweilen aus. Auch, weil ich mir die Einbauküche mit allem, was so dazugehört, selbst kaufen musste und einen rationalen Sinn für die Investition suchte. Weder eine Küchenzeile, noch der Boden, auf dem sie stehen sollte, waren ein gottverdammter Bestandteil des Mietvertrags. Und ja, das war damals seit Kurzem legal.

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