Oft heißt es, Disney hätte uns unrealistische Vorstellungen von Liebe vermittelt. Ich sage: Serien und Filme haben mir unrealistische Erwartungen an einen Hund vermittelt! Denn in Shows wie „Please Like Me“, „After Life“ oder „Sex and the City“ sind Hunde nichts weiter als lebende Teddy-Bären, die gemütlich zuhause in der Ecke sitzen und auf ihre Besitzer*innen warten. Was das mit der Realität einer Hundebesitzerin zu tun hat? Wenig bis gar nichts.
Irrglaube #1: Der Hund hat keine Blase
Folgende Szene: Person X war acht Stunden arbeiten, beim Geburtstagsessen in der Pizzeria mit anschließenden Drinks oder in einem Nachtclub – und amüsiert sich bestens. Was der Hund in der Zwischenzeit macht? Keine Ahnung.
Denn Hunde existieren in den meisten Filmen nur, wenn sie Screentime haben.
Wenn Person X endlich wieder zuhause ist, geht sie also nicht sofort mit dem Hund ums Eck, damit dieser Pipi machen kann – nein! Sie setzt sich erstmal gemütlich auf die Couch und macht den Fernseher an, oder kuschelt den Hund noch eine Runde ab („Hallo du Süßer!!“), bevor sie ins Bett geht. Blase? Fehlanzeige. Der Hund hat sich einfach … selbst rausgelassen, oder?
Frage: Hat keiner der Drehbuchautor*innen jemals einen Hund gehabt, oder gibt es triftige Gründe dafür, warum Hunde in Serien häufig als vermeintlich unkompliziertes Deko-Element abgetan werden? Das Erste, was man eigentlich macht, wenn man nach drei bis sechs Stunden (und das ist schon lang!) wieder nach Hause kommt, ist – Überraschung, Überraschung – nach dem Erklimmen des 4. Stockwerks sofort wieder rauszugehen, nur diesmal mit Hund. Und das kann, je nach Alkoholpegel und Hyperaktivität des Hundes, ganz schön anstrengend sein.
Nichts da mit Absacker auf der Couch! Naja, es sei denn man steht auf Pissflecken auf dem Teppich und Tiermissbrauch.
Wo sind die Szenen, in denen Person X bei der Ankunft zuhause Kotze, Kacke oder Pipi im Flur vorfindet, weil sie zu lange weg war? Wo ist das schlechte Gewissen, weil das Dessert im fancy Restaurant doch einen Ticken zu lange auf sich warten lässt? Und wo sind die Hunde-Sitter, die bezahlt werden müssen, weil es doch acht, und nicht vier Stunden Auswärtszeit waren?
Wenn Gassi-Gehen bewusst gezeigt wird, dann nur, um “jemanden kennen zu lernen”.
Hach. Wenn es doch so einfach wie im Film wäre, einen Hund zu haben.
Irrglaube #2: Hunde werden geshoppt wie Schuhe
Kann sich jemand an die Szene in „Please Like Me“ (Staffel 1) erinnern, als Josh‘ Mom mit einem Baby-American-Shepherd im Wohnzimmer auftaucht? Nein? Egal. Denn die Szene steht stellvertretend für alle Filme, in denen Hunde „plötzlich“ … da sind.
Tolles Geschenk, so ein Hund!
Hunde zu kaufen ist in popkulturellen Parallelwelten normaler, als neue Schuhe zu brauchen. Auch muss nach so einem Spontan-Kauf niemand nachts um drei auf die Straße. Der Hund hat keinen Durchfall. Keiner kümmert sich um die Recherche und Erprobung des richtigen Hundefutters. Der Welpe wird in Handtaschen gesteckt und wie ein Statusobjekt hergezeigt. „Süüüüüß!“, oh ja, wie „putziggggg!“. Tatsch, tatsch, gedankenloses Kopfstreicheln.
IRL bedenken die meisten Menschen einen Hundekauf dann doch länger als den Purchase auf Amazon Prime. Außerdem mögen die meisten Welpen enge Taschen auf Brusthöhe gar nicht so gerne, wie medial vorgelebt und müssen sich an Tragetaschen oder Boxen gewöhnen.
Auch sind Cafébesuche erstmal nicht Prio #1, weil andere Dinge erlernt werden müssen. Zum Beispiel: an der Leine gehen. Nicht in die Wohnung pissen. Alleine bleiben. Oder auf den Namen hören. Ein Hund als stets „einsatzbereites“ Party-Gadget? Fehlanzeige.
Irrglaube #3: Der Hund ist ein Zirkuspony
Hunde in Filmen können nicht nur Stöckchen kauen, sondern auch Stöckchen bringen; sie kommen mit allen gängigen Kommandos ausgestattet; antworten den Menschen mit eindeutigen Kopfbewegungen; agieren als „Retter in der Not“; erschnüffeln automatisch Drogen und Bellen 2 x, wenn sie einen Verbrecher vor der Tür vermuten. Alles klar! Und mein Hund ist einfach nur ein dummer Trottl…
Natürlich nicht. Und obwohl mir klar ist, dass Filmhunde speziell ausgebildet sind und mit ihrer Rolle eine Handlung vorantreiben sollen, war es doch seltsam zu merken, dass mein Hund – und im Übrigen auch ganz viele andere – einfach „nur“ ein Tier mit Bedürfnissen ist. Mein Hund beschützt mich nicht, ich beschütze ihn. Mein Hund braucht Liebe und Zuneigung und würde freiwillig nie auf die Idee kommen, anderen Zweibeinern (jetzt habe ich das Wort ausgeschrieben *kotz*) nachzulaufen und ihnen … irgendetwas aus der Hand zu reißen, sie in eine Ecke zu drängen oder mir im Falle des Falles das Leben zu retten.
Ja, wahrscheinlich würde mein Hund dabei zusehen, während ich ermordet wäre.
Aber das ist völlig okay so.
Das Leben? Ist eben kein Film und ich bin froh, dass ich mich bei jedem Wetter mindestens drei Mal täglich rausbewegen muss, um dieser Herausforderung gerecht zu werden. Dass auch ich etwas tun muss, das nichts direkt mit mir zu tun hat und das Leben mit Hund in der Realität sehr viel intensiver ist, als einem abgerichteten Schäferhund einmal am Tag auf den Kopf zu dätscheln und „guter Junge“ zu sagen.
Welche Hunde-Filmklischees kannst du nicht mehr sehen?
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