Vorab: Ich persönlich glaube ja nicht, dass das Buch Allegro Pastell von Leif Randt geschrieben wurde, damit es möglichst viele kultivierte Menschen des Berliner Umlands bei einem Tinder-Date gemeinsam schrecklich finden können. Auch, wenn diese Taktik immer ganz gut für den Verkauf funktioniert.
„So ein ekelhaftes Generationenbuch über zwei privilegienblinde Kartoffeln” – hach, wer würde sich nicht gerne darüber in seinem weltoffenen Umfeld echauffieren? Dem Autor fehlende Weitsicht diagnostizieren? Ichbezogenheit? Wer würde Tanja und Jerome nicht gerne genau die Gefühlskälte und Verklemmtheit unterstellen, die einem selbst nicht ganz unbekannt ist und in den vergangenen drei Jahren zum Abbruch mehrerer mittelwichtiger Beziehungen führte?
Vorab #2: Überraschung! Ich mochte den Roman, relativ von Anfang an, obwohl ich selbst Autorin bin und in Berlin lebe. Ich kenne viele Autorinnen-Tanjas in Berlin. Diese Frauen aus den Tiefen Schleswig-Holsteins, deren makellose Gesichtszüge sich am besten in einem griesgrämigen Selfie manifestieren, das trotzdem nie hässlich aussieht; die keine echten Freundinnen zu haben scheinen, aber jede Menge lose Bekanntschaften, die sie am Boxi im Neumann’s freundlich grüßen. Die auch mit 30 noch aussehen wie mit 25, jeden Tag essen gehen und es sich erlauben können, am Montag auszuschlafen.
Ich bin den Tanjas Berlins schon oft in Clubs begegnet.
Sie hatten immer drei Kerle an jedem Finger und schwebten mit einer elfenhaften Grazie über den Dancefloor. Sie hatten meist einen süßen Freund – im Roman verkörpert diese Person Jerome –, mit dem sie eine Fernbeziehung führten, die auch „überhaupt kein Problem“ war, ja, ganz generell scheinen die Tanjas und Jeromes dieser Welt keine Probleme zu habe…