“Nichts kaufen, das ich nicht brauche” – so lautet mein Motto seit Sommer 2016. Und ganz ehrlich: ich habe meinen Vorsatz bis auf ein paar wenige Ausrutscher recht brav gehalten. Die meiste Zeit klappte es erstaunlich erfolgreich, an T-Shirts und Mäntelchen vorbeizulaufen, die die Auslagen von bekannten Fast-Fashion-Stores zierten und mich zurückzuhalten, Trends mitzumachen.
Schließlich werden mir die Auswirkungen unserer westlichen Gier nach immer mehr Kleidung jeden Tag vor Augen gehalten, wenn ich Teenager mit Plastiktüten durch Einkaufscenter schlendern sehe (good old & careless times!). Gleichzeitig ist mir bewusst, dass es natürlich leicht fällt, nichts zu kaufen, wenn man schon besitzt. Ich habe zum Beispiel ein ausgeprägtes Faible für allerlei Hosenartiges und vor meiner Zeit als “Fashion-Abstinente” viele Modelle in unterschiedlichen Farben angehäuft. So ist meine Garderobe seit knapp drei Jahren beinahe unverändert minimalistisch.
Immer wieder erwische ich mich stolz dabei, zu bemerken: „Oh, dieses Teil hattest du doch schon auf den Fotos von 2014 an?“ Denn das bedeutet einerseits, dass ich meinen Stil gefunden habe und ihm treu geblieben bin, andererseits, dass ich morgens weniger Zeit brauche, um mich fertig zu machen, weil alle Teile in ihrer Essenz zusammenpassen. Meistens greife ich in die linke Schublade zu meinen Lieblingsjeans (noch irgendjemand Fan der Closed-Vintagejeans hier?) und rechts in die Schublade mit den T-Shirts. Zack fertig. Outfit. Ich brauche selten länger als zehn Minuten, um ausgehfertig zu sein. Also, fast.
Denn was gehört noch zu einem Outfit? Richtig. Das Drüberhängsel für lauwarme Abende im Park. Frei nach dem Motto: weil niemand mehr als drei Jacken braucht stelle ich euch heute meine Lieblingsmodelle vor, die jeder Konsumkritiker einmalig einkaufen sollte, um die Umwelt und den Geldbeutel künftig zu schonen.
1. Die Jeansjacke mit Rückenprint vom Flohmarkt in Hamburg
Preis: ca. 15 Euro
Tragehäufigkeit: jede Woche
Alter: ca. zweieinhalb Jahre bei mir und sonst locker weitere zehn
Jeder, der mich öfters als drei Mal getroffen hat, kennt diese Jacke. Sie ist mein absoluter Jacken-Favorit und einfach immer dabei. Bei Reisen kann ich sie um die Hüften schnallen und bei Schlechtwetter aus dem Rucksack kramen, sie passt zu fancy und sportlichen Outfits und hat zumindest genauso viel Charakter wie die alte Motorradjacke meines Vaters. Ich kann mich noch an Abende erinnern, als sie meine Haare vor Regen schützte und am nächsten Tag als Sitzunterlage beim Grillen im Park diente. Ob ich sie jemals gewaschen habe? Schuldig.
Auf diesem Outfit trage ich sie mit einem weißen Body (zwei Jahre alt) und einer neuen Sommerhose von Zara. Übrigens auch die einzige Hose, die ich mir 2018 neu gekauft habe. Seit ich kaum noch “Shoppen” (auch so ein Wort von früher) gehe, merke ich vor allem im Sommer, dass mir das „Kaufverbot“ einen Loch in die Garderobe gefressen hat. Ich besitze kaum Sommerkleider oder kurze Shorts (1 Paar) und auch Sandalen sind im Repertoire nur ein Mal vorhanden. Gleichzeitig denke ich mir: für die zwei Monate muss ich mir jetzt auch nicht extra viel Neues anschaffen. Richtig?
2. Die College-Jacke aus dem Think-Twice-Store in Antwerpen
Preis: 20 Euro
Tragehäufigkeit: alle zwei bis vier Wochen
Alter: ca. zweieinhalb Jahre in meinem Schrank und vielleicht noch fünf anderswo
„Darf ich die mal ausborgen?“ Meine knallblaue College-Jacke war ein echter Glücksgriff und wird gerne von Besuchern test-getragen, die sie auf dem drahtigen, weißen Kleiderständer in meinem Flur hängen sehen. Was ich an ihr mag: den Papageienprint auf der Rückseite und die Regenbogen-Streifen an Hals und Armen.
Wie alle guten Vintage-Fundstücke ist sie für mich einzigartig. Sie ist die erste und einzige College-Jacke, die ich besitze und ich habe nicht das Gefühl, dass ich noch drei weitere in anderen Farben brauche, wenn ich mich mit ihr im Spiegel sehe.
Ich finde: besser einmal gut, als fünf Mal halb kaufen.
3. Die kimono-angehauchte Velourlederjacke aus dem Zara-Sale in Kopenhagen
Was habe ich oben geschrieben? Ich habe es ernsthaft versucht – und bin letztlich doch bei diesem wunderschönen Teil an meine Grenzen gestoßen, als ich mit meiner Begleitung im Zara war. Kennt ihr das, wenn man explizit nicht sucht, aber findet? Dieser beige Fake-Velourledermantel ist mich förmlich angesprungen, und nach dem Drüberziehen habe ich mich genauso schön gefühlt wie Meghan bei ihrer Traumochzeit.
Zumindest, wenn ich beim Anziehen nicht an die Produktionsbedingungen dachte. Die Journalistin Imke Müller-Hellmann hat gerade erst ihr neues Buch „Leute machen Kleider“ veröffentlicht, in dem sie von Näherinnen in Bangladesch und China berichtet, die zehn bis zwölf Stunden am Tag arbeiten und am Ende stolz darauf sind, 300 Boxershorts in einer Stunde genäht zu haben. Neun von zehn Kleidungsstücken in Deutschland kommen aus Ländern mit niedrigen Lohn- und Produktionskosten. Das erklärt vielleicht auch meinen Gesichtsausdruck.
Ich habe also trotz schlechten Gewissens eine Ausnahme gemacht und mich vor dem Kauf auf drei Regeln berufen, die sich schon oft bewährt und mich vor Fehlkäufen bewahrt haben. Wenn ich versucht bin, etwas zu kaufen, stelle ich mir drei Fragen.
1. Habe ich schon etwas Ähnliches?
2. Wie ist das Preis-Leistungsverhältnis zu den Produktionskosten?
Und – vielleicht am allerwichtigsten – 3. LIEBE ich es?
Wenn ich alle Fragen guten Gewissens beantworten kann, kommt es also noch vor, dass ich mir etwas gönne. Anders als früher, als ich „nach einem anstrengenden Tag“ wie eine hormongesteuerte Tarantel in den nächsten H&M gelaufen bin, um mir ein Polyester-Oberteil mit Blumenprint zu kaufen. Nur, weil es da war.
Wie bei meiner Internetnutzung halte ich es auch beim Thema Fashion mit der Daumenregel: so bewusst wie möglich, so wenig wie nötig.
Das Konzept für diesen Beitrag entstand wie immer unabhängig – dieses Mal allerdings in freundlicher Zusammenarbeit mit P&C.