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Impulsantwort: erstmal nichts, wenn man sich so umsieht. Es gibt Autorinnen und Autoren, die schreiben detailliert und ungeschönt über ihre Datingerfahrungen, über Sehnsüchte, Depressionen (#notjustsad), Abtreibungen (großartig: plötzlich war da diese Falte im Nacken), Essstörungen. Traumata. Erlebnisse und Gefühle, die von vielen erfahren werden – aber trotzdem gesellschaftlich stigmatisiert sind. Es ist deshalb umso bewundernswerter, dass es Menschen gibt, die sich mit genau diesen Themen in die Öffentlichkeit trauen.

Was „zu privat“ ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Es gibt kein richtig oder falsch, sondern vielmehr ein sehr persönliches Gefühl von: was kann und möchte ich geben? Auch ein Grund, warum dieser Beitrag heute besonders subjektiv ausfällt.

Dummes Beispiel: das Weihnachtsessen mit meiner Familie. Oder meine Liebesbeziehungen. Das Haus meiner Kindheit in der Slowakei. Meine Freunde ohne Internetpräsenz. Alte Fotos. Großeltern. Meine Wohnung, durch die ich bisher nicht digital geführt habe (kleine Fixpunkte wie den Spiegel im Wohnzimmer ausgenommen #aotd). Keine Morgenroutine. Keine Fotos im Bett. Keine Infos darüber, wann ich wie lange wo bin – und mit wem. Das kommt dann vielleicht später raus, aber ich bin schon immer bedacht und mir meistens im Klaren darüber, wie ich diese, meine Realität beschneide, um die eher anonymen beziehungsweise weniger privaten Momente auszuwählen, die ich dem Internet zugänglich mache, ohne mich nackt zu fühlen.

Bin ich paranoid? Vielleicht. Leben wir mit all unseren Bekannten und Verwandten und entfernten Frenemies in einem Big-Brother-Container namens Internet? Ganz sicher.

Hin und wieder über solche Grenzen nachzudenken, ist anstrengend, aber notwendig, um als Person irgendwo auf dem oberen Ende des Introvert-Spektrums diesem kräftezehrenden Beruf nachgehen zu können. Einem Beruf, der vom eigenen Image lebt, ja, der nur dadurch ausgeübt werden kann, sich in gewisser Weise zu exponieren. Jede Meinungsäußerung, jeder Post ist bereits eine Form der Exponierung. Man kann sich also als Autorin, die schreibt (haha!) gar nicht nicht exponieren. (Also aufpassen bei Kommentaren a la: „Du machst das doch alles freiwillig!!11“) Außer man möchte nur für sich schreiben, natürlich. Aber das möchte ich dann doch nicht.

Ich möchte so schreiben, dass es sich für mich okay anfühlt und Menschen trotzdem dort berühren, wo es weh- und guttut. Ich möchte reflektiert bleiben und mich nicht für einen reißerischen „Sex mit dem Ex“-Artikel hingeben, auch wenn ich in Punkto Beziehungen und Liebe bestimmt einige gute Anekdoten auf Lager hätte. Und in so manch anderen Themengebieten auch. Aber: das bin nicht ich. Die Autorin zu werden, die ich sein möchte, verlangt Disziplin und Selbstbeherrschung.

Meine angestrebte Professionalisierung verlangt nach Stille, auch wenn ich manchmal laut dazwischenschreien und meinen ungefilterten Senf abgeben möchte.

Sie verlangt danach, ganz gezielt an den Themen zu arbeiten, die in meinem Repertoire am stärksten sind und mich durch meinen Stil und meine Sichtweise von anderen abzuheben. Es verlangt Distanz zum Erlebten zu wahren und sich im Klaren darüber zu sein, dass man eben – in meinem Fall – nie die Person sein wird, die gerne vor der Kamera steht um dort über ihr Privatleben zu berichten. Ich werde nicht die Person sein, die ihre Hochzeit live auf Facebook streamt, oder ihre Kinder postet. Wenn ich schon über meine Gefühle schreibe, dann will ich zumindest das unmittelbare Privatleben so gut es geht raushalten. Auch wenn ich manchmal gerne wieder posten würde as if it was 2009.

Selbst wenn die Professionalisierung nerven kann – sie ist ein Schutzschild. Sie ist etwas Langfristiges. Und sie gibt mir den nötigen Rahmen, innerhalb dessen ich künstlerisch frei sein kann.

Also ein Tipp an alle Schreiberlinge da draußen: ran an die Entscheidung, über was man wie schreiben möchte.

Fragen, die dabei helfen können:

  • Welche Themengebiete sind für mich warum tabu?
  • Beispiel Mental-Health-Issues: Kann ich mir langfristig vorstellen, mit meinem Gesicht und Namen gegen Vorurteile zu sensibilisieren? Google never forgets. #justsayin
  • Wenn ich persönlich schreibe: wie möchte ich das machen? In Form von sehr ehrlichen, persönlichen Tagebucheinträgen? Literarisch? Möchte ich eine Multimedia-Performance aus meinen Erlebnissen fürs Theater schaffen?
  • Publiziere ich massenmedial oder auf meinem Blog? Gerade heikle Themen im Bereich Feminismus, Sex, Depressionen, LGBTI werden in der Regel mit üblen Kommentaren verseucht sein. Egal, wie gut und reflektiert der Text war
  • Möchte ich eher laut sein, oder eher leise? Was passt zu meinem Charakter?
  • Wie viel Zeit möchte ich in Social Media investieren?
  • Möchte ich eine „Person of Internet“ werden, die ständig online ist, weil sie davon lebt und das Tagesgeschehen auf verschiedenen Plattformen kommentiert? Ihre eigene FB-Page hat?
  • Möchte ich einen halbwegs normalen, unspektakulären Alltag als Schreibende haben, und nur hie und da an die Öffentlichkeit; oder möchte ich mit meinen Texten aktiv Online-Aktivismus zB. auf Twitter betreiben? (was wie beim Punkt „Person of Internet“ sehr viel Zeit verlangt.)

Ich freu mich auf eure Rückmeldungen und den Erfahrungsaustausch zu diesem heiklen Thema.

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