Die im Eifer des Perfektionismus vollendete Platte „Meta-finite“ hinterlässt einen gekonnt unaufgeregten Eindruck. Der in Graz wohnhafte fontarrian produziert Ambient und Slow House, der in Österreich seinesgleichen sucht. Gelebten Perfektionismus erkennt man genau daran, dass die Störelemente fehlen, wenn sich die Vocal-Samples natürlich zu einer Atmosphäre vermengen, die gleichzeitig an Morgentau und Strandspaziergang erinnert. Abends allerdings, nachdem die Sonne bereits als überstrapazierte Fotokulisse ausgedient hat und es eigentlich an der Zeit wäre, die selbstgemachten Gnocchi auf der Loggia zu verzehren. Das eigene Faible für visuelle Ästhetik auf Musik zu übertragen, ist eine Kunst. Das kulturelle Kapital, das grundsätzlich nicht für den Genuss vorausgesetzt wird, versteckt sich erfolgreich in Details. Wenn man genau hinhört (für alle anderen: nachliest), entdeckt man nicht nur Schnipsel aus dem Film Tony Manero, sondern auch Referenzen auf David Bowie. Der niederschwellige Zugang zur popkulturellen Vergangenheit ist nicht nur gelungen, sondern inspiriert auf unterschiedlichen Wahrnehmungsebenen.
Beim Track „Moon’s Space“ wird schon mal ein 4-Zeiler aus Bowie’s Moonage Daydream in bekannter Slow-House Manier in Anlehnung an die Detroiter Ahnen verzerrt. Eine Platte, der man anhört, dass da mehr dahinter steckt, als sich in sonntäglicher Kater-Euphorie eine Demoversion von Ableton zu saugen. Zwei Jahre hat es gedauert, bis alles fertig war, zum Herzeigen.
„To Desire The Things That Will Destroy You In The End“ ist an das bekannte Sylvia Plath Zitat angelehnt und mit 16 Minuten nicht nur der längste Track der EP, sondern nach eigenen Aussagen des Erschaffers auch das erste Stück Musik, das dieser je als gelungen empfand. Wo wir wieder beim Perfektionismus wären. Alle perkussiven Samples stammen genauso wie das Gesprochene aus dem Film „Tony Manero“ (Larrain, 2008) und versetzen beim Hören ganz legal in einen Zustand angenehmer Geistesabwesenheit. Sobald das Stöhnen lauter wird, könnte man dieses unterschiedlich interpretieren. Joggen mit starkem Gegenwind auf nachgiebigem Untergrund (Strand), zwischenmenschlich geglückte Annäherungsversuche (Sex), oder die Erschöpfung, die eintritt, sobald man endlich alle 343 Stufen des Wiener Stephansdoms erklommen hat (Erleuchtung). Es kommt jedenfalls alles in komprimierter Form hoch, was man die letzten Monate erfolgreich runtergeschluckt hat. Während ich bei dem Track runterkomme wie sonst was und dabei beinahe auf mein eigenes geistiges Schaffen vergesse, frage ich mich, was Musiker machen, um die Musik zu vergessen. Ich hoffe doch nicht: schreiben.
Ich träume von düsteren Nachmittagen in einer Wohnung in London, alles ist very dark. Ich ziehe die Decke über meinen mehlig-sommersprossigen Körper. Die Melancholie folgt zwischen Sommer und Herbst. Der Spätsommer suggeriert ja immer so ein bisschen, dass die Dinge jetzt aber wirklich vorbei sind. Als ob wir spontan tabula rasa machen könnten.
Einen gewissen Hang zur filmmusikalischen Tauglichkeit kann man dem guten Stück nicht absprechen. Fast scheint es, als ob die auf den Künstler wirkenden Inspirationen als Nachwehen Eingang in Struktur und Aufbau der einzelnen Tracks gefunden hätten. „CC’s Glory“ baut beispielsweise auf Elementen von Lou Reed’s Vertonung von Edgar Poe’s Gedicht „The Raven“ auf und triggert erfolgreich Erinnerungen an Berlin, irgendwie, dabei wollte ich die Stadt doch ausnahmsweise außen vor lassen, ja, wer hat denn nicht genug gelesen, von dieser Sorte jämmerlicher Prosa?
Hilft eh alles nix, bitte hören Sie.
fontarrian – meta finite EP
Release date: 15. September 2015
Cat – #: disko707
Format: limited 12″ (250) & Digital
Mastered at Optimum, Bristol, UK
Distributed by Cargo & Road2Ruin
Das foto ist von mir, freu mich über credits