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Ist es in Zeiten der allgemein um sich greifenden Entschleunigung noch gesellschaftlich akzeptabel an dem Ding zu arbeiten, das umgangssprachlich irgendwann mal als „Karriere“ bezeichnet wurde? Der Gedanke, dass ich als Frau niemals von einem Partner abhängig sein sollte, war von Schulbeginn an fest in meinem Hinterkopf verankert, um nicht zu sagen: einzementiert. Mit diesem Credo bin ich und sicher auch viele andere Frauen in den Neunzigern aufgewachsen und eingeschult worden. Ich weiß gar nicht mehr genau, von wem ich den Satz als erstes gehört hatte. War es meine Mutter? Meine Großmutter? Meine beiden Volksschullehrerinnen?

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Obwohl so manches emanzipatorisches Bestreben glücklicherweise dafür gesorgt hat, dass heute nicht alle kinderlosen Frauen als verzweifelte Karrieremenschen abgestempelt werden, die nichts mehr lieben als ihre automatisch synchronisierenden Mailinglisten, scheint es nicht mehr zeitgemäß sich jahrelang den Arsch für etwas aufzureißen, für dass es sich letztendlich ohnehin nicht „zu leben“ lohnt. Erfolg im Beruf soll einem abends das Lächeln auf die Lippen zaubern, während man das Mikrowellengulasch aufwärmt. Mehr nicht. Den Arsch hat man mittlerweile zusammengekniffen und in einen adretten Bleistiftrock gezwängt, der die Waden unangenehm betont. Man hievt ihn in die Chefetage, um auf niemandes Schoß zu sitzen und einen Biotee zu schlürfen, während man sich auf das pädagogisch wertvolle Mitarbeiterinnengespräch vorbereitet.

Während in meinem Bekanntenkreis die ersten Paare heirateten und Kinder planten, konnte ich mich auf mein Studium und das Auswendiglernen von sinnlosen bullet-points konzentrieren, das mich schlussendlich mit genügend kulturellem Kapital ausstatten würde um am Morgen nach einer WG-Party mit Visitenkarten von angehenden Kunsthändlern in meiner Geldbörse aufzuwachen.

Und dann kommt die Komödiantin Amy Poehler und rät den Leserinnen und Lesern, nach all den penibel organisierten Doing-Gender-Seminaren und veganen Resteverwertungskochbüchern für Singlehaushalte, auf die eigene Karriere zu kacken und sie wie einen miesen Freund zu behandeln. Sprich: Nicht zurückzurufen oder sonstige Aktionen einzuleiten, um ihn oder sie je wieder zu sehen. Das neue Motto lautet: „Care less“ – oder auch “Scheiß auf deinen 5-Jahres-Selbstoptimierungsplan inklusive Gehaltserhöhung und warte einfach ab, ob du auch so zufrieden wirst.“

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Natürlich ist es fatal, sein persönliches Glück von äußeren Umständen abhängig zu machen. Andererseits finde ich es auch nicht ganz richtig, „Karrieren“ pauschal zu entwerten. Nicht, dass ich eine hätte. Ich meine nur.

Poehler so:

“Your career won’t take care of you.(…) Your career will openly flirt with other people while you’re around. (…) Career is something that fools you into thinking that you are in control and then takes pleasure in reminding you that you aren’t.”

Lasst uns das Wort career durch marriage ersetzen.

“Your marriage won’t take care of you.(…) Your marriage (husband/wife) will openly flirt with other people while you’re around. (…) Marriage is something that fools you into thinking that you are in control and then takes pleasure in reminding you that you aren’t.”

Bitte seid so lieb und kommt mir jetzt nicht mit medial vermittelten und übersteigerten romantischen Vorstellungen. Wir wissen alle, wie der Alltag eines Paares nach ein paar in Jogginghosen nebeneinander hergelebten Jahren oder sporadisch in die Welt gesetzten Kindern aussehen kann. Das Konzept der romantischen Liebe, das sehr darum bemüht ist, über den amour passion hinauszugehen, kann genauso scheitern und zu Ende gehen wie eine strategisch eingeleitete Karriere.

Ich sehe schon die Einwände in den Kommentaren: Aber eine Beziehung ist doch etwas zwischen zwei Menschen, etwas Einzigartiges und Intimes! Wohingegen niemand neben seinem Aktenkoffer einschlafen möchte. Hah! Und außerdem sagt Poehler ja auch nicht, dass man sich auf seine Ehe konzentrieren soll.

Was zum Teufel ist passiert? Es gab Zeiten, da klangen die Ratschläge zum Thema Karriere noch wie folgt: Remember that your career will never wake up and tell you that it doesn’t love you anymore.

Früher, da hatte man noch Optionen, sich in eine Ersatzliebe hineinzusteigern und darauf zu hoffen, wenigstens in diesem Aspekt seines Lebens oberflächlich als erfolgreiche Person durchzugehen.

Obwohl ich das Buch noch nicht gelesen habe, musste ich mich fragen, was Amy Poehler uns letztendlich sagen möchte. Dass man sich als Frau jetzt besser nicht zu sehr verkrampft, weil man sowieso rein gar nichts beeinflussen kann? Egal in welchem Anbelangen? Ich verstehe schon, dass man angesichts der rasant steigenden Arbeitslosigkeit in Europa nicht sagen kann, dass man noch in irgendeiner Art und Weise Kontrolle über seine „Karriere“ hätte. Aber genauso wenig hat man die endgültige Kontrolle über den Fortgang seiner Ehe, den Lebensweg der Kinder oder den bestmöglichen Buchungszeitpunkt für den Pauschalurlaub Anfang August.

Vielleicht sollten wir uns auf die anderen Dinge konzentrieren, die unerklärlicherweise erst nach Aktivitäten wie dem effizienten Sortieren des Posteingangs, dem Suchen der passenden Methode für die systematische Inhaltsanalyse oder dem Schreiben von nett gemeinten Post-Its folgen. Dem Lackieren der Zehennägel zum Beispiel! Die gehören nämlich wirklich nur uns.

Statt also zu versuchen, etwas zu kontrollieren, was unkontrollierbar ist – nämlich zum Beispiel die Wahrnehmung der eigenen Person von außen – sollten wir loslassen und unsere Leidenschaft auf die Arbeit selbst lenken, nicht die Spekulation darüber, welche Türen sie öffnet.

Ich stimme Poehler ja eigentlich zu. Auch wenn sich leicht reden lässt, wenn man zwei entzückende Kinder und eine aus allen Kanälen sprießende Karriere vorweisen kann.

Dieser Artikel entstand nach der Lektüre von Herzerwärmend und komisch: “Yes Please” von Amy Poehler von Juliane.

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