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Lena Dunham, das ist für die einen
Lena Dunham, bekannt als Produzentin und Erfindern der Erfolgsserie GIRLS

Lena Dunham, wie beginnt man eigentlich eine verspätete Rezension über Lena Dunhams Memoiren, die seit einem Monat in aller Munde sind? Diejenigen, die diesen Artikel anklicken wissen vermutlich, um wen es sich handelt. Fernseh-Star, feministische Prominente, Bodyacceptance-Vorbild, laut dem XYZ-Magazin eine der „erfolgreichsten Frauen unter 30“. Alle anderen kennen Googles Bildersuche. Bekanntlich bin ich als Bloggerin nicht in der Position, meine hochrelevanten Inhalte einer breiten Masse zugänglich zu machen. Da ich auch noch (kleiner Spaß am Rande) nicht für Literaturempfehlungen bezahlt werde, versuche ich hier so subjektiv wie möglich aufzuzeigen, warum mich Lena Dunhams Buch „Not that Kind of Girl“ enttäuscht hat. Schlimmer, ich glaube ich werde nie wieder mit derselben Unbefangenheit und Freude Dunhams schwingende Brüste auf dem Schirm betrachten können. Schade, eigentlich.

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Das 265-Seiten lange Buch ist eine präzise kuratierte Dauerausstellung therapeutisch behandelbarer Neurosen. Es geht, naja man kann es fast ahnen, um Dunhams Leben. Dunham als ängstliches Kind („When I was eight, I was afraid of everything“), Dunham in der Schule („Really, I’d hated school since the day I got there. My father often repeats the story of my initial reaction to kindergarten”), Dunham in Oberlin, Dunham und ihr erster female-crush („I had no issues with gay people. I just didn’t want to be one“) Dunham und schlechter Sex, Dunham und weniger schlechter Sex (besonders gut aber auch nicht), Dunham und ihre Essstörung („Every pound I lost made me giddy“), ihren Selbstfindungsprozess, ihr Leben in New York und LA. Wer das Buch kauft, erspart sich die wöchentliche Lektüre diverser US-amerikanischer Tabloids. Ich kann versprechen, man ist danach informationstechnisch zumindest auf dem Stand von Wendy Williams. 80 Prozent der Zeit beschreibt Dunham die einzigartige Beziehung zu ihrer wundervollen, upper-class Familie, deren einziges Problem darin zu bestehen scheint, sich kollektiv für eine Ausstellung am Sonntag zu entscheiden.

I had a lucky little girlhood. It wasn’t always easy to live inside my brain, but I had a family that loved me, and we didn’t have to worry about much except what gallery to go on Sunday and whether or not my child psychologist was helping with my sleep issues.

Habe ich schon erwähnt, dass sie ihren Vater vergöttert und auf jeder zehnten Seite eine Story mit dem Satz „My father would/said/did“ einleitet? Zudem erfährt man, wie sich ihre Eltern kennen gelernt haben, warum und bis wann Dunham „Jungfrau“ war, wann sie danach wie oft mit wem und warum Sex hatte, welche Party sie davor besucht und welche Drogen sie genommen hat. Wenn ich mehr über diese Art von persönlichen Erfahrungen wissen will, frage ich meine MitbewohnerInnen, dafür brauche ich kein Aufklärungs-Buch. Dunham hatte das ganz „normale“ Leben eines etwas verwirrten, sich seiner Selbst noch nicht bewussten Zwanzig-Etwas, mit dem kleinen Unterschied finanziell abgesichert in Soho aufzuwachsen. Dunhams’ Feminismus ist einer der präpotenten „me-me-me“ Sorte, wie es Sara Luckey auf feminspire treffend beschreibt:

It often seems that in mainstream feminism — and let’s be real, that often is double speak for ‘white feminism’ — Lena Dunham can do no wrong. She’s a feminist darling, a delightful and ‘relatable’ face fronting a ‘subversive’ television show, giving out soundbites, being kooky and zany in her red carpet fashion choices and bungling up every now and again with her adooorable foibles.

Like Caitlin Moran, Lena Dunham exists in that vapid and overly-self-conscious niche of mainstream feminism where the overwhelming concern is white women, their problems, their lives, and much talk and examination of the size and shape of and feelings about their bodies. It’s all very surface-level feminism. Lots of talk about accepting your body and being able to have the kind of sex you want, not much about the lives and experiences of anybody outside their demographic, accompanied by the assumption that of COURSE we must all be interested. It’s light, it’s easily digestible. And when we are in that nook, that warm little wrinkle of surface-level feminism that focuses on the “me me me”, it can become escapism.

Nicht, dass ich nicht an Gossip-News interessiert wäre. Aber 150 Seiten? Gemischt mit Aufzählungslisten zu „10 Reasons I <3 NY“ oder „My Top 10 health concerns“. Noch langweiliger als Dunhams Sex- und Liebesleben („I said I love you to exactly four people, except my father“) ist die Schilderung ihrer Kindheit. Es ist wirklich zum Gähnen, gänzlich unspektakulär und zudem höchst irrelevant, wenn es um die Niederschrift der Dinge geht, die „man gelernt hat“. Was hat man denn gelernt im Sommercamp? Dass man seine Familie vermisst? Nach fünf Seiten musste ich dieses Kapitel leider überspringen.

So I wanted camp, too. I didn’t want to leave home. I loved my loft bed and my hairless cat and the small desk my father had installed for me in what used to be the closet where he kept his sci-fi paperbacks. I loved our mint-green elevator and our Malaysian takeout and August in New York, the way the only breeze came from the subway rushing past.

Was mich am ehesten interessiert, Dunhams beruflicher Werdegang, wird stiefmütterlich als Nebenstrang abgehandelt. Fast so, als ob es Absicht und dem Hype rund um die Serie GIRLS förderlich wäre. Stattdessen breitet sie ihren Nebenjob als Angestellte in einem teuren Bekleidungsgeschäft für Kinder auf gefühlt zwanzig Seiten aus und wird nicht müde zu betonen, dass sie dort den besten Lunch ihres Lebens hatte. Das Dasein ist eine Aneinanderreihung von fancy furniture, Toast mit Salz und Butter, Zuspätkommen in Literatur-Vorlesungen und Wasserskifahren.

I was not a perfect student – far from it. I was overmedicated and exhausted, wearing pajamas and a vintage hat with a veil. I struggled to stay awake in art history class. I had an authority problem. But I was living in a world where we were understood and honored for what we had to offer. My best friend played a didgeridoo he bought off the Internet. It was a best-case scenario for a worst-case problem: the fact that the government says we have to go to school.

Zwischendurch habe ich das Gefühl, dass Dunham sich an Menschen rächen möchte, die sie in der Vergangenheit haben abblitzen lassen, oder ihr Talent nicht sofort wertzuschätzen wussten. Ich glaube kaum, dass Dunham jeden ihrer ehemaligen Sexualpartner gefragt hat, ob er es in Ordnung finden würde in allen Details in einem Buch mit Millionenauflage aus ihrer (!) Perspektive skizziert zu werden. Der narzisstische Anspruch all die pikanten Details des eigenen Sex- und Arbeitslebens in die Regale von Millionen (!!!!) Menschen zu bringen (WARUM? WARUM? Ich kann mir nichts Schlimmeres – und Langweiligeres – vorstellen als ein Buch über meine Exfreunde zu veröffentlichen), erschließt sich mir nicht. Wäre die Leserschaft danach zumindest davon überzeugt, dass Dunham eine spannende Persönlichkeit, eine Bereicherung für die Kunst- und Literaturszene ist und die mainstreamgerechte Verbreitung “des Feminismus” fördert – meinetwegen. Das Gegenteil davon ist bei mir eingetreten. Abgesehen davon, dass ich nach all den Entblößungen an Dunhams Stelle Angst davor hätte, von meiner Schwester verstoßen zu werden. Wer jetzt kritisch anmerken möchte, dass die Autorin dieses Buch auch dazu nutzen wollte, auf sexuelle Belästigung und Gewalterfahrungen aufmerksam zu machen, muss einsehen, dass diese Thematiken neben Gesprächen zwischen 14-Jährigen auf Sommercamps und Gedanken zum Thema Tod ein wenig (nicht nur Zeichen-technisch) zu kurz kommen, um für den Inhalt zentral zu wirken. Natürlich kann manch eine/r jetzt einwerfen, man könne auch mal einen anderen Zugang zur hässlichen V-Debatte finden. Nur leider ging der politische Anspruch, falls einer vorhanden war, neben all den Belanglosigkeiten komplett unter.

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Mit ihren Memoiren hat sich Dunham selbst ein Bein gestellt, denn durch die Art und Weise, wie sie sich selbst sieht, wirkt sie weniger als sympathische, inspirierende, reflektierte Persönlichkeit, sondern vielmehr wie Daddy’s little Girl, das nur aufgrund ihres Privilegs von allerlei Ungerechtigkeiten verschont wurde und zudem auf einer der renommiertesten amerikanischen Kunstakademien studieren konnte. Ist ihr Erfolg Zufall? Oder vielmehr aufgrund ihres sozialen und ökonomischen Kapitals prädestiniert? Wer schon als Kind Kontakte in die Kunstszene New Yorks knüpfen konnte und mit 5 auf Galerien-Eröffnungen ging, wird ganz automatisch von diesen Banden profitieren. Geht es bei diesem Buch, wie sollte es anders sein, lediglich um den Profit? Die Sprache ist einfach (was an sich kein Problem wäre), stilistisch nicht herausragend, der Plot weder lustig noch in irgendeiner Form ergreifend oder spannend. Die Geschichte hat keinen roten Faden, sie wirkt wie eine lose Zusammenstellung eines für die Öffentlichkeit überarbeiteten Tagebuchs.

I fell in love with Cathy comics one afternoon at my grandmother’s house, flipping through the Hartford Courant. They weren’t printed in the New York Times, our household’s newspaper of choice. So every week after that my grandmother carefully snipped them out of her newspaper and mailed them to me, no note. I would savor them after school over half a box of cookies, laboring to understand each joke.

Es kommt selten vor, dass ich von einem Buch nichts mitnehmen kann, hier ist es passiert. Wenn ich könnte, hätte ich die fünf Stunden Lebenszeit, die mich das Buch gekostet hat, lieber in die Aufarbeitung meiner eigenen überprojizierten Vorstellungen investiert als mir die wirr aneinandergereihten Aufzeichnungen Dunhams über die Telefonate mit ihren Therapeutinnen durchzulesen. NOT THAT KIND OF GIRL ist wie einer dieser Menschen, die Dunham zu früh in ihr Leben gelassen hat. Absolut Entbehrlich.

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