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Robin Mansell, Professorin für New Media and the Internet an der London School of Economics, hat 2012 ein Buch über Phänomene und Paradoxa des Internets und deren Einfluss auf unsere Gesellschaft verfasst.

I have seen how differently people imagine the world of technological innovation and social change, depending on their ways of framing questions and the puzzles they want to address.

Wer bei dem vielversprechenden Titel etwas wie eine Anleitung für die Etablierung eines „besseren“ Internets erwartet hat, wird enttäuscht. Imagining the Internet ist viel mehr eine metakommunikationswissenschaftliche Analyse der Grundsatzprobleme und falschen Annahmen, die rund um das Internet und deren NutzerInnen, Konzerne und technologischen Implikationen, herrschen. Sie mediiert zwischen marktorientierten, the-winner-takes-it-all und kritischen, commons-basierten Perspektiven der Technik. So gelingt es ihr zwei Paraodxa der ICT’s, Informationskommunikationstechnologien, zu benennen, die sonst im Diskurs eher im Grabenkrieg ausgetragen werden: Das Paradox der Informationsknappheit bzw. Informationsfülle und das Paradox der zunehmenden Komplexität, die weder normaler NutzerInnen, noch PolitikerInnen, EntscheidungsträgerInnen der Wirtschaft oder die Legislative wirklich zu fassen vermögen.

Sie verknüpft die fundierte metatheoretische Analyse mit praktischen Problemen. Beginnend beim Digital Divide. Wenn auf politischer Ebene über die digitale Kluft, den ungleichen Zugang zu Computern, Internet und Kommunikationstechnologien gesprochen wird, geht es meist darum, dass gewisse Länder nur über wenige eigene Patente und Copyrights verfügen und daher auf geistiges Eigentum – aus Amerika – angewiesen sind. Es geht um Kosten für den Computer- und Lizenzerwerb, Sprachprobleme bei der Übersetzung der Websites und darum, „knowledge-gaps“ zu schließen.

The evolution of communication system is being guided by the economic power of large companies, the political power of nations and their institutions. In the dominant social imaginary it is claimed that the evolution of the communication system is consistent with the goals of companies in generating profitable digital content.

Das Paradoxe daran ist der Glaube vieler Hilfsorganisationen, dass – wenn erst einmal die Kluft überwunden ist und alle Länder den „westlichen Standards angeglichen sind“ – die Armut und all die damit verbundenen Probleme verschwunden sein werden. Mansell betont, dass es wichtig sei, Computer im Bildungswesen zu integrieren, Menschen selbst dazu zu bringen, ihre technischen Fähigkeiten auszubauen. Sie zu lehren, das System und die Kommunikationstechnologien zu hinterfragen, statt ihnen lediglich „Top down“ die Errungenschaften des nordamerikanischen Raumes aufzudrängen. Es werde dabei übersehen, dass die Entwicklungschancen weniger von technischen Gegebenheiten („Anschluss ans Netz“) abhängen, als von den Fähigkeiten der Menschen, mit diesen Techniken umzugehen. Digitale Inklusion ist also nur der erste Schritt.

Robin Mansell versucht den LeserInnen den Einfluss von Kommunikationssystemen auf unseren Alltag näher zu bringen, in dem sie zwischen „in front of the screen developments“ und „behind the screen developments“ unterscheidet. Wer nun denkt, dass diese metakommunikationswissenschaftliche Einordnung nichts mit der Realität unserer täglichen Internetnutzung zu tun hat, irrt.

Die komplexen Prozesse, die hinter dem Schirm („behind the screen“) ablaufen, sind für „everday users“ im Generellen nicht sichtbar. Wir sind meist von „in front of the screen“ Entwicklungen betroffen, die wir direkt auf dem Bildschirm sehen können. ProgrammiererInnen, die die technischen Skills besitzen, arbeiten „behind the screen“ an Softwarelösungen, die menschliche Interaktionen innerhalb des Kommunikationssystems ermöglichen. Dass die Folgen davon oftmals über das Ziel der effizienten Informationsverarbeitung hinausschießen, liegt auf der Hand.

What software agents can and cannot do in terms of auditing information and tracing its origins is not widely debated. Most people who are calling up information do not understand the values built into the operations that select and present it.

Ein gutes Beispiel für die Veranschaulichung der Problematik ist Facebook. Das Unternehmen versucht den Usern das Gefühl zu geben, dass sie selbst für ihre Privatssphäreeinstellungen verantwortlich wären. Dabei bewegen die User sich lediglich an der Oberfläche der ihnen zur Verfügung gestellten Maske. Sie werden niemals dazu befähigt, die Prozesse “behind the screen” mitzuentwickeln. Facebook verdeutlicht dieses Ungleichgewicht zwischen den NutzerInnen und dem Konzern bei jeder willkürlichen Änderung der Privatssphäreeinstellungen.

Information creators and online participants in social networks in front of the screen are constrained by pre-defined scripts and rules that govern their activities. Facebook continuously works behind the screen to tweak their sites’ privacy conditions, claiming this to be in the interests of users. The complexity of the system “behind” is often mentioned as an argument for non-intervention to address this paradox because of the unknown consequences that might result.

Die Nicht-Regulierbarkeit des Internets wird in der “dominant social imaginary” durch die letzte These gestützt.

Ein weiteres Anliegen Mansells ist die Entkriminalisierung von InternetnutzerInnen, die Content up- oder downloaden. Auf der einen Seite haben wir die neoliberalen Ansprüche diverser Firmen an ökonomisches Wachstum durch den Verkauf von Filmen, CDs, Büchern und Skripten, auf der anderen Seite die alternative soziale Vorstellung, dass das Kommunikationssystem den freien und kostenlosen Zugang zu Informationen fördern sollte, um einen gesellschaftlichen Mehrwert hinsichtlich des freien Wissenszugangs zu gewährleisten.

Was passiert? Die Kreativindustrie antwortet mit strengeren Restriktionen zur Verbreitung von digitaler Information. Maßnahmen zum Schutz von geistigem Eigentum, zum Beispiel Urheberrechtsgesetze, versuchen die Rechte des Autors zu schützen und ihm dadurch Einnahmen zu sichern.

Market-led visions represent the belief that ownership should be transferred under explicit contracts governing the buying and selling of information. Nonetheless participants are uploading and downloading digital content. Those practices have been reflected in changing sociocultural norms of moral behavior online. These changes have coined the proponents of the dominant social imaginary of the information society against advocates of the alternative social imaginary demanding an open information commons.

Wie wir sehen gibt es mehr als eine Vorstellungen davon, wie wir in Zukunft mit Urheberrechtsgesetzen umgehen sollten. Auf der einen Seite diejenigen, die die dominante, etablierte Sichtweise unterstützen und NutzerInnen weiterhin kriminalisieren wollen, auf der anderen Seite die alternative Sichtweise, die eine offene, frei zugängliche Informationsgemeinschaft fordert. Videos wie dieses zeigen die Problematik auf.

The European Parliament’s investigation of copyright enforcements fostering innovation and competitiveness was summarized in a draft report that included the statement that “criminalizing consumers so as to combat digital piracy is not the right solution”. The statement was removed from the final report.

An letzterem Zitat erkennt man, dass es sehr unterschiedliche Ansichten darüber gibt, was als „moralisches“ Handeln im Netz gilt und wie dies gesetzlich festgelegt werden sollte. Wenn Seiten wie kino.to gesperrt werden, kommen tags darauf andere Anbieter, die den NutzerInnen die gleichen Services anbieten. Die Wirksamkeit von Verboten ist – im Gegensatz zu den Strafmaßnahmen – mehr als nicht vorhanden.

Ein Paradigmenwechsel wäre angebracht, um gleichzeitig über neue Formen der Vergütung für die ProduzentInnen von digitalem Content nachzudenken, als auch endlich die Kriminalisierung von EndnutzerInnen, die sich ihrer Verbrechen großteils nicht einmal bewusst sind, aufzuheben.

Diese drei Beispiele sind ein kleiner Ausschnitt der Thematiken, die Mansell auf 289 Seiten behandelt. Zu Beginn versucht die Autorin zu erklären, was das Internetzeitalter kennzeichnet und wie die Evolution des Kommunikationssystems in der Informationsgesellschaft von PolitikerInnen als auch PhilosophInnen wahrgenommen wird. Ein besonderes Anliegen ist der Kanadierin die Aufklärung über die dominante, marktgetriebene Vorstellung über die Informationsgesellschaft, deren Einfluss auf etablierte Kommunikationsplattformen wir jeden Tag spüren. Wenn wir uns auf Facebook einloggen, wenn wir Videos streamen, Musik auf Spotify hören oder darüber debattieren, wie neue Gesetze zum Urheberrechtsschutz aussehen sollten.

Mansell schließt 2012 ihr Buch damit, dass es nun Zeit wäre, mögliche Lösungen abzuwarten. Nach der NSA-Affäre und Snowdens Aufdeckungen würde ihr finales Statement wohl eher lauten: Jetzt ist die Zeit zu handeln. Es geht um die Zukunft unseres Internets und die Emanzipierung der EndnutzerInnen. Wie das Ganze von statten gehen soll, hat Mansell bislang noch nicht verkündet. Die Problematiken, die der Informationsgesellschaft jedoch zu Grunde liegen, hätten nicht gründlicher aufgezeigt werden können.

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