Paradies Hoffnung zeigt den ZuseherInnen eine Episode aus dem jungen Leben der Hauptprotagonistin Melanie, die in einem abgelegenen Diätcamp gemeinsam mit 15 LeidensgenossInnen erste kindliche Erfahrungen in der Liebe sammelt.
If you’re happy and you know it clap your fat. If you’re happy and you know it clap your fat. If you’re happy and you know it and you really want to show it if you’re happy and you know it clap your fat.
Zeilen, die sich beim letzten Film der Seidl Trilogie einbrennen. Nach Sextourismus in Kenia und der masochistischen Liebesbeziehung zu Jesus steht nun sommerliches Abnehmen im Diätcamp auf der Agenda.
Von den Eltern als zu dick befunden müssen sich 16 Jugendliche der autoritären Campleitung unterwerfen und dabei täglich mäßig spannenden Turnübungen nachgehen. Strafsanktionen nach nächtlichem Süßigkeitenklau inklusive. Abseits fragwürdiger Gänsemarschübungen und Hampelmannsprüngen richtet sich der Fokus allerdings wie gewohnt auf das Zwischenmenschliche. Es sind die feinen Schwingungen zwischen den ProtagonistInnen, die Seidl mit seiner realitätsgetreuen Art des Filmemachens einfängt. Schokoriegel werden gemeinschaftlich geteilt, um das Eis zu brechen. Obwohl Übergewicht innerhalb einer von Schönheitsidealen dominierten Gesellschaft weitestgehend abgelehnt wird, scheint genau dieses konstruierte Defizit keinen Einfluss auf das Wohlbefinden der DiätcampinsassInnen zu nehmen. ,,Du bist schön.“ Melanie findet durch den Zuspruch ihrer Zimmergenossinnen ein Stück weit zu sich selbst. Ihrer ersten Ansprechpartnerin Verena vertraut Melanie ein Geheimnis an. Jeden Tag wartet sie in der Hoffnung ihrem Objekt der Begierde ein Stück näher zu kommen vor dem Arztzimmer. ,,Schlecht gebaut ist er ja nicht.“ Kichern unter der Bettdecke. Schwärmerei kennt bekanntlich kein Alter.
Es gibt wenig, abgesehen vom auferlegten Diätregime, das die Jugendlichen von normalgewichtigen Gleichaltrigen unterscheidet. Das wichtigste Gesprächsthema ist das andere Geschlecht. Das erste Mal, die erste Liebe. Zigaretten und Bier wecken ihre Neugierde. So verwandelt sich das kleine, sporadisch mit zwei Stockbetten eingerichtete Zimmer von Melanie und ihren Leidensgenossinnen abends zu einem Ort der Freiheit. Soweit dies innerhalb dieser Institution überhaupt möglich ist.
Ein wenig beschämend ist der intime Einblick in die Welt der 13 Jährigen dann aber doch. Naiv lieblich werden Küsse auf den Mund verteilt, sobald die leere Bierflasche zum Drehinstrument umfunktioniert wurde. Mit Jägermeistershots und Kajal bewaffnet verschwinden Melanie und Verena, mucksmäuschenstill und das Lachen unterdrückend, im Gemeinschaftswaschraum. Nachdem der Mut angetrunken, und das Kleid hochgezogen wurde, geht es taleinwärts in die nächstgelegenste Dorfdisco. Die hochprozentige Enthemmung findet ein überraschendes Ende. Alkohol – ein Thema, dem in allen drei Filmen eine bedeutende Rolle zukommt.
Der finale Part der Trilogie ist unerwartet sanft und weitaus weniger schockierend als seine Vorgänger, was vermutlich an der Arbeit mit den Jugendlichen zusammenhängt. Seidl hat sich nicht zu weit aus dem Fenster gelehnt. Selbst Szenen zwischen Melanie und ihrem Angebeteten verströmen trotz der Skurrilität eine gewisse Zärtlichkeit. Paradies Hoffnung irritiert genau damit das Publikum, das meist nur leise hinter vorgehaltener Hand lacht. Ist es Scham, die ich empfinde? Über die kindliche Betrachtungsweise der ,,Liebe“ gepaart mit beinahe bemitleidenswertem Optimismus? Frei nach dem Motto: Nur wer jung ist, hat noch Hoffnung? Ich gehe mit gemischten Gefühlen aus dem Saal und bin froh, nicht mehr 13 zu sein.
Regie: Ulrich Seidl
Drehbuch: Ulrich Seidl, Veronika Franz
Darsteller: Melanie Lenz, Michael Thomas, Joseph Lorenz, Vivian Bartsch, Verena Lehbauer, Johanna Schmid.
Laufzeit: 91 Minuten
Kinostart: 15.03.2013, www.paradies-trilogie.at