Guten Morgen, na, auch schon vom neuesten -core gehört? Nicht? Kein Problem, underconsumption core is on its way to Germany!

Um was geht’s?

Lasst mich kurz ausholen. Wie die Guardian-Autorin Sara Radin in ihrem Artikel beschreibt, hat die Nachhaltigkeits-Influencerin Sabrina Pare kürzlich auf TikTok ein Video mit ihren 250.000 Followern geteilt. Darin erinnert sie uns: “Das ist dein täglicher Reminder, dass die meisten Inhalte, die du online siehst, nicht das Leben widerspiegeln, wie es die meisten Menschen tatsächlich führen.” Sie macht klar: “Es ist vollkommen in Ordnung, mit einem einfachen Leben zufrieden zu sein.”

You don’t say? Während sie in einem Video das Bett macht, betont sie, dass es weder normal noch erstrebenswert sei, ständig neue Kleidung zu kaufen, täglich bei Target vorbeizuschauen und jeden Tag ein neues Outfit zu tragen.

“It is not normal to do massive clothing hauls, daily trips to Target and have a new outfit every day. Nor do I think it should be aspirational.”

Dieser Gedanke steht im Zentrum einer wachsenden Bewegung, die Radin als underconsumption core beschreibt. Oder, anders gesagt: Menschen zeigen bewusst, wie sie das wertschätzen, was sie bereits besitzen oder Dinge aus Online-Tauschbörsen ergattern, anstatt täglich bei Amazon zu bestellen. Der Trend wird auch als normal core oder normal consumption bezeichnet und propagiert eine “Weniger ist mehr”-Mentalität in einer Zeit des Überkonsums.

Sabrina Pare, die auf TikTok als @sabrina.sustainable.life bekannt ist, erklärt, dass es bei underconsumption core darum geht, Dinge zu zeigen, die “vielleicht nicht die neuesten, aber dennoch funktionsfähig sind”. Sie und andere Influencer demonstrieren, wie man Dinge upcycelt, Abfall reduziert und Secondhand-Fundstücke nutzt, um die Lebensdauer von Gegenständen zu verlängern und bewusster zu konsumieren.

Kommt dir irgendwie bekannt vor? Der Trend, der ungefähr seit Mitte Juli 2024 auf TikTok kursiert, ist eine Weiterentwicklung der Deinfluencing-Bewegung des letzten Jahres, die dazu ermutigte, weniger zu kaufen. Jetzt zeigen viele Creator stolz, wie sie Alltagsgegenstände und Kleidungsstücke, die sie seit Jahren besitzen, wiederverwenden und schätzen. In einem ihrer neuesten Videos erklärt Pare beispielsweise, wie man die Lebensdauer von Messern verlängert.

Ganz schön banal, aber trotzdem wichtig. Und obwohl solche Inhalte nicht gerade das glamouröse Social-Media-Game widerspiegeln, haben Pares Videos bereits fast 15 Millionen Likes gesammelt.

Mein take zu underconsumption core

Ganz ehrlich, es ist witzig online über eine gesellschaftliche Entwicklung zu erfahren, die man ausnahmsweise bereits selbst in seinen Alltag inkorporiert hat, ohne sie dabei als etwas –coriges zu benennen.

Während ich das hier schreibe, habe ich ein 15 Jahre altes Bikini-Top an. Nicht aus Second Hand, sondern aus meinem eigenen Kleiderschrank. Es ist ein simples, schwarzes Triangle-Bikinitop, mit einem dünnen, schwarzen Gummiband unter den Brüsten. Es ist nichts Besonderes, und doch hänge ich sehr an diesem speziellen Kleidungsstück, das vermutlich auf allen meinen Urlauben seit 2009 dabei war.

Ich bin mit diesem Teil im Mittelmeer geschwommen, habe mich auf Tenerife gesonnt, war damit an der alten Donau und am Tegeler See. Es gehört quasi zur Grundausstattung meiner Badetasche und ich würde es sogar reparieren, wenn es irgendwann kaputtginge. After all this time! Ich habe es nie ersetzt, obwohl die Nähte bereits ausgefranzt sind, und jeder erkennen kann, dass das kein schickes Trend-Teil ist.

Es ist mir egal, weil das Top funktioniert. Das Bikinioberteil hält meine Brüste wie kein anderes und obwohl es wahrscheinlich keine 20 Euro kosten würde, es zu ersetzen, will ich ganz einfach nicht.

Nachhaltigkeit spielt bei meiner Auslegung von underconsumption core ehrlicherweise weniger eine Rolle, als der praktische und nostalgische Aspekt. Ich betreibe underconsumption core auch mit meinen Jogginghosen, Hausschuhen, einigen Pullis, einem Bademantel und diversen Küchenutensilien. Ich benutze sie wirklich so lange, bis sie auseinanderfallen und habe mir schon öfters anhören müssen, dass ich mir das doch längst in neu kaufen könnte.

Aber, ich wiederhole mich gerne: ich will ganz einfach nicht. Ich finde es schön, dass mir die Kleidung, in der ich mein Leben verbringe, etwas bedeutet. Gerade in dieser verrückten, turbokapitalistischen Zeit. Dass es einen Unterschied macht, ob ich meinen alten Bademantel anhabe, der bereits halb zerfällt, oder einen brandneuen Designer-Ersatz. Was bleibt uns, wenn nicht die Dinge, die wir an unsere Haut lassen?

Georgina Johnson, Herausgeberin der intersektionalen Umweltpublikation „The Slow Grind“ merkt kritisch an, dass der typische Underconsumption-Core-Content oft kulturelle Nuancen vermissen lässt.

„A lot of people are responding [to the trend] by saying this is what it is like being working class,“ sagt Johnson. Ihrer Meinung nach basieren viele dieser Trends auf Erfahrungen, die tief in der Black Community verwurzelt sind – „we haven’t had so much so we’ve learned to reuse things.“

Trotzdem sieht sie auch das Positive. Für Johnson kommt es darauf an, wie der Trend kontextualisiert wird und wer dabei sichtbar gemacht wird.

Besser als Shein hauls

So oder so: Ich freue mich, dass endlich mal ein -core Trend entsteht, der nicht mit weiteren Bestellungen bei Versandriesen einhergeht. Der mich nicht unter Druck setzt, mir mehr Gedanken um meine Garderobe zu machen, sondern actually … weniger.

Diesen Sommer habe ich mich für ein (!) „It-Piece“ entschieden, das ich seither fast jeden Tag getragen habe. Es ist ein schlichter, schwarzer Tennisrock von Nike. Ich war mit ihm in Rumänien, in Bulgarien, in Berlin, Wien und Griechenland. Jeden Tag dachte ich mir: was für eine gute Entscheidung, in dieses Teil investiert zu haben! Ich hoffe, dass es mir noch die nächsten fünf Sommer als Standard-Unterteil meiner Sommergarderobe dienen und gemeinsam mit dem schwarzen, ausgefransten Bikini-Top einer No-Name-Brand dafür sorgen wird, dass ich mir um anderes Gedanken machen kann, als mein Outfit.

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