Don’t get me wrong: Ich mag mein neues Fachgebiet, ich mag meine neuen Kollegen. Einziges, aber gravierendes Problem: verstehen tu ich sie nicht immer. Als Quereinsteigerin und sogenannte Nicht-Volljuristin bereitet mir die elitäre Sprache im Nominalstil Probleme.
Tatbestandsvoraussetzungen, Lebenssachverhalte (gibt es auch Totensachverhalte?), Tonträgerherstellerrechte. Klingt inhaltsleer und abstrakt? Egal. Wörter, die im Journalismus strikt verboten wären, muss ich jetzt um mich schmeißen. Um kompetent, und vor allem: Juristisch zu klingen.
Wenn mir die elitären Ausdrucksformen bereits Probleme bereiten – obwohl ich im ersten Leben Autorin bin – wie fühlt sich dann erst der 08/15-Leser, wenn er die wichtigsten Artikel aus Richtlinie XY liest?
Richtig. Es kommt gar nicht erst dazu, dass er sie liest. Im besten Fall überfliegt er die Info zwei Sekunden, bevor er wieder auf Zeit Online klickt, und verschiebt die Mail vom Arbeitgeber in den Papierkorb. Womit wir uns im Herzen des Problems befänden.
Juristen lachen heimlich über Menschen, die Gesetzesnormen nicht verstehen; weigern sich aber gleichzeitig flächendeckend sowas wie „leichte Sprache für juristische Texte“ einzuführen (Hier ein Beispiel, dass es möglich ist). Denn wo kämen wir denn da hin? Wenn plötzlich EU-Richtlinien auch von jemand anderem gelesen würden, als von jenen, die sie in nationale Gesetze umwandeln oder später bei Fällen in Theorie und Praxis anwenden.
So ist und bleibt die Rechtswissenschaft ein Fachbereich, der zwar alle Lebensbereiche tangiert (ohje, ich fange auch schon an …) – und trotzdem kaum für Laien zugänglich ist. Das Problem erkannt hat auch Anna Murk. Die Wirtschaftsjuristin ist Herausgeberin des Magazins „Legal Layman“ und spricht im Podcast „Legal Tech“ mit Charlotte über die Schwachstellen juristischer Kommunikation.
„Stellen Sie sich vor, Sie würden die Betriebsanleitung eines Autos und die ausgedruckte Version der Straßenverkehrsordnung vorgelegt bekommen und von Ihnen würde erwartet werden, dass Sie diese lesen und schließlich Auto fahren könnten. Wie absurd das doch wäre, nicht wahr?“ sagt Murk, und ich kann nur heftigst vor dem Computer zunicken.
Deshalb möchte ich diese Episode allen Juristen ans Herz legen, die hier mitlesen und sich fragen, warum ihre Mandanten nach einem Telefonat noch fünfzehn Mal nachfragen, was genau jetzt eigentlich der nächste Schritt wäre.
Ob Volljurist, Halbjuristin, Staatsexamler oder Quereinsteigerin: Wir müssen endlich gemeinsam damit anfangen, das Problem der (oftmals schlechten) juristischen Kommunikation ernstzunehmen und gleichzeitig damit aufhören, Laien mit ellenlangen Papern zuzuschütten, bis sie sich angewidert von ihrem Rechtsanspruch abwenden.
PS: Andere Fachbereiche schaffen es auch, zugänglich zu sein. Trotz komplexer Materie.